Eisblüten gegen den Frost
Obstbauern wollen Plantagen bei Minusgraden beregnen – doch dafür brauchen sie viel Wasser
FRIEDRICHSHAFEN - Viele Landwirte haben in diesem Jahr durch nächtliche Minustemperaturen im April einen großen Teil ihrer Apfelernte verloren. Sie suchen nun fieberhaft nach wirksamen Methoden, um sich künftig vor solchen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Neben Versicherungen könnte das eine Frostschutzberegnung der Plantagen sein. Doch dafür brauchen die Landwirte Unterstützung vonseiten der Politik – und jede Menge Wasser.
Ganze Plantagen waren bei der diesjährigen Apfelernte am Bodensee schon vor dem Pflücken leer. In Baden-Württemberg wurden nach Schätzungen der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft zwei Drittel einer Durchschnittsernte vernichtet. In Bayern ist die diesjährige Apfel- und Birnenernte laut dem Landesamt für Statistik in Fürth um rund 50 Prozent niedriger ausgefallen. Europaweit drohe mit 9,3 Millionen Tonnen die schlechteste Apfelernte seit zehn Jahren.
Für Deutschland wird mit 555 000 Tonnen (minus 46 Prozent gegenüber 2016) der geringste Ertrag seit der Wiedervereinigung erwartet. Das entspricht einem Schaden von etwa 200 Millionen Euro. In Frostnächten im April waren stellenweise mehr als 90 Prozent der Blüten erfroren, die aufgrund des milden März bereits ausgetrieben waren. Auch Kirschen, Erdbeeren und anderes Obst gab es in diesem Jahr weniger. Die Auswirkungen waren regional unterschiedlich und hingen von den klimatischen Verhältnissen ab. Doch auch der nächtliche Einsatz der Landwirte zeigte an einigen Stellen Wirkung.
Kristallisationswärme statt Paraffin
Als besonders wirksam – da sind sich die Vertreter der Obstbauern einig – hat sich die Beregnung der Plantagen erwiesen. Einzelne Landwirte in Oberschwaben und am Bodensee hatten bereits in diesem Jahr Sprenkleranlagen an einzelnen Feldern installiert und retteten so einen Großteil ihrer Äpfel. Johannes Bentele, der in der Nähe von Laimnau im Bodenseekreis einen Demeter-Obsthof bewirtschaftet, hatte eine Beregnungsanlage für etwa zehn Prozent seiner 18 Hektar in Betrieb – hier hat er seiner Aussage nach vollen Ertrag.
Wenn Wasser bei null Grad gefriere, bilde es einen schützenden Eispanzer – eine Art Iglu – um die Apfelblüten, erklärt Seniorchef Peter Bentele. „Dabei wird Kristallisationswärme frei.“Innerhalb der Schutzhülle blieben die Temperaturen konstant bei null Grad Celsius, auch wenn es draußen minus vier bis minus sechs Grad habe.
Die Methode hat einen deutlichen Vorteil gegenüber anderen Schutzmaßnahmen: Sie wirkt auch bei größerer Kälte. Das Schließen von Hagelnetzen und Räuchern mit Schilfballen könne, so Peter Bentele, die Temperatur in den Plantagen gerade einmal um ein Grad Celsius erhöhen. Paraffinkerzen wiederum seien sehr teuer. Allerdings: Für eine Frostschutzberegnung braucht es Wasserquellen. Der Vorsitzende des Obstbaurings Tettnang, Hubert Bernhard, geht davon aus, dass eine Beregnung für gerade einmal 15 Prozent der Obstbauern infrage kommt. Lediglich Landwirte, deren Felder unmittelbar an Flüssen wie der Schussen oder der Argen oder am Bodensee liegen, könnten das System nutzen. Ein paar Landwirte in der Nähe von Friedrichshafen (Bodenseekreis) sollen nun damit liebäugeln, eine mehrere Kilometer lange Wasserleitung aus dem Bodensee bis zu ihren Feldern zu legen.
Schwierige Genehmigung
Für die Obstbauern im Remstal kommt auch diese Lösung nicht infrage. Ihre Streuobstwiesen, deren Bäume weit auseinander stehen, sind für eine Beregnung nicht geeignet – der Frost hat laut Otto Müller, Vorsitzender des Obstbaurings Winterbach-Rohrbronn, praktisch alles zerstört. „Zum Glück lebt keiner ausschließlich davon.“
Benteles am Bodensee gehören zu denen, die von einer Frostschutzberegnung profitieren könnten. Sie möchten ihren bereits bestehenden künstlichen Weiher vergrößern und haben dafür einen Bauantrag bei der Stadt Tettnang gestellt. Dieser sogenannte Pufferspeicher wird durch einen Bach gespeist, der an Benteles Hof vorbeifließt. 20 000 Kubikmeter Wasser brauche er, um seine Apfelbäume in Frostnächten durchgängig beregnen zu können, meint Johannes Bentele. Er rechnet mit Kosten im niedrigen sechsstelligen Eurobereich.
Sofern er die Genehmigung von Stadt und Landratsamt bekommt. „Das ist gleich, wie wenn wir Bauland ausweisen wollen“, schimpft Bernhard vom Obstbauring, der mit seinen Kollegen aus den verschiedenen Verbänden versucht, Lockerungen im Genehmigungsverfahren zu erwirken. Wöchentlich gebe es derzeit Gespräche zwischen Bauernvertretern, dem Landratsamt und Ministerien – bislang ohne Erfolg.