Die WM der langen Wege
Sotschi oder Moskau? Die Quartierfrage in Russland ist für den DFB knifflig
BERLIN (dpa/SID) - Während die Fans der deutschen Fußball-Nationalmannschaft darauf warten, mit welchen Gegnern es der Weltmeister im Sommer 2018 in Russland beim Unternehmen Titelverteidigung zu tun bekommt, denkt der Bundestrainer schon einen Schritt weiter als bis zur Gruppenauslosung am Freitag (16 Uhr) im Moskauer Kreml. „Man kann sich nicht nur gezielt auf die ersten Gegner vorbereiten. Man weiß dann auch, welchen Weg man beim Turnier geht“, sagte Löw. Die Vorrunde soll nur der Beginn von möglichst sieben Spielen bis zum Finale sein.
Ein ganz wesentlicher Punkt für Löw: „Wir können uns entscheiden, welches Camp wir nehmen.“Zwei Optionen hat der Deutsche FußballBund vorbereitet: Entweder das Basiscamp wird im warmen Sotschi am Schwarzen Meer aufgeschlagen. Oder der DFB-Tross bezieht ein Hotel am Rande Moskaus. In der russischen Hauptstadt finden mit Abstand die meisten Spiele statt. Die Wahl des Teamhotels hat für die Sportliche Leitung eine zentrale Bedeutung, denn die Logistik kann im großen Russland auch den Sport beeinflussen.
„Es gibt eklatante Unterschiede in den Reisezeiten zwischen Moskau und Sotschi. Es gibt Gruppen, da sind die Flugzeiten doppelt so lang wie in anderen“, sagt Oliver Bierhoff, der wie Löw bei der Auslosung dabei sein wird. Der Teammanager hat bereits sechs große Turniere organisiert. Russland wird ihn nochmals vor eine besondere Herausforderung stellen. Zwischen Sotschi als südlichstem Spielort und St. Petersburg im Norden liegen knapp 2000 Kilometer. Zwischen Kaliningrad an der Ostsee und Jekaterinburg an der Grenze zu Asien sind es sogar 2500 Flugkilometer. Die drei Vorrundenspiele jeder Nation in den acht Gruppen werden in drei unterschiedlichen Städten ausgetragen. Auch danach sind Strapazen programmiert, bis zu einem möglichen Halbfinale kommen zwei weitere längere Reisen hinzu.
Alternative in Fichtenwäldern
Löws Favorit ist wohl Sotschi, da er dort im Sommer beim Confed-CupSieg mit seinem Perspektivteam gute Erfahrung gesammelt hat. „Jogi mag das gute Wetter. Für die Stimmung bei einem Turnier ist das sehr wichtig“, sagte Bierhoff. Und nicht erst seit dem legendären Campo Bahia in Brasilien wisse man: „Natürlich ist es hilfreich, wenn du auf der Terrasse sitzen kannst.“Allerdings ergänzte Bierhoff auch: „Sotschi ist der Ort der langen Wege.“Das spricht für Moskau respektive Ramenskoje, eine kleine Industriestadt direkt beim Flughafen Schukowski, umsäumt von dichten Fichtenwäldern. Ein eher herber Charme, verglichen mit der Sonnenküste. „Es ist ein Aspekt, wenn du von sieben Spielen mindestens zwei in Moskau hast. Es ist aber auch die Frage, wie weit sind die Wege in Moskau, zum Trainingsplatz, zum Flughafen und zum Stadion“, sagt Bierhoff.
Lange Reisen gehörten immer zum Turnierprogramm für Löw und sein Team. Nicht immer war die Quartierwahl optimal. Bei der EM 2008 wählte der Verband ein Quartier im schweizerischen Ascona, musste dann schon in der Gruppenphase gleich zweimal ins österreichische Klagenfurt reisen. Bei der WM 2010 in Südafrika sorgte ein Hotel 50 Kilometer abgelegen vom kalten Johannesburg für einige Diskussionen.
Bei der EM 2012 ging es vom polnischen Danzig zu allen drei Gruppenspielen in die Ukraine. Vier Jahre später waren die langen Busfahrten von Évian-les-Bains am Genfer See zum Flughafen unbeliebt beim Team. Aber der WM-Triumph 2014 zeigte auch, dass lange Reisen den Erfolg nicht behindern müssen. „Campo Bahia war reisetechnisch auch nicht immer so einfach“, erinnerte Bierhoff.
Es gebe mehrere Aspekte, die zu berücksichtigen seien, sagte Bierhoff: „Medienzentrum, Trainingsplatz, Hotel für die Delegation und die mitreisenden Angehörigen.“
Eine Entscheidung gibt es somit erst nach den WM-Losen.