Handy in der Schule – „oft wie eine Sucht“
Lehrer und Eltern in Stadt und Land sehen Smartphones kritisch – Schüler wünschen sich mehr Freiheit
KEMPTEN/OBERALLGÄU - Kaum ist die Schulstunde um, ist die Versuchung groß: Das Handy wird gezückt, WhatsApp-Nachrichten gecheckt. Doch eigentlich dürfen das die Schüler gar nicht, denn ein Gesetz gibt vor: Das Mobiltelefon muss prinzipiell auf dem Schulgelände aus bleiben. Doch ist das noch zeitgemäß? Technische Geräte wie Smartphones oder Tablets spielen im Alltag der Jugendlichen mittlerweile eine große Rolle. „Oft ist das schon wie eine Sucht bei den Schülern“, sagt der Oberallgäuer Lehrerverband-Vorsitzende Reinhard Gogl.
Für die Schülersprecherin des Gymnasiums Immenstadt, Célina Weingand, wäre eine Lockerung der Regel eine „enorme Erleichterung“: „Gerade in Schulpausen finde ich es unpassend, das Handy ausschalten zu müssen.“Weingand gibt zu, dass sie und viele ihrer Mitschüler das Smartphone meistens im LautlosModus eingeschaltet haben. Sie kenne nur wenige, die das Handy komplett ausschalten würden.
Das bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen sieht seit 2006 vor, dass private Smartphones auf dem Schulgelände ausgeschaltet sein müssen. Ausnahmen gelten, wenn Lehrer die Nutzung explizit zu Unterrichtszwecken erlauben. Und dort liegt für Jürgen Funke vom Elternforum Allgäu der Knackpunkt. Der EDV-Experte der Gemeinde Oberstaufen befürwortet die allgemeine Digitalisierung an Schulen. „Allerdings sollten Geräte für den digitalen Unterricht von den Schulen gestellt werden.“
Am Hildegardis-Gymnasium haben Lehrer die Möglichkeit, Tablets im Unterricht einzusetzen. Schulleiter Markus Wenninger bevorzugt, dass von der Schule gestellte Geräte im Unterricht benutzt werden: „Ansonsten sind Schüler benachteiligt, die nicht die neuesten Modelle besitzen.“
Das sieht der Lehrerverband-Vorsitzende Reinhard Gogl nicht ganz so eng. Der Schulleiter der Mittelschule Sonthofen lässt die Schüler ihr Handy etwa für Recherchen nutzen. Ansonsten ist er aber besonders aus einem Grund dafür, dass die Geräte ausbleiben: Cybermobbing. Auch in seltenen Gefahrensituationen wie Amokläufen könnten Smartphones kontraproduktiv sein. „Da überträgt sich die Panik schnell auf die Eltern.“Für Elternvertreter Funke sollte die Schule ein Smartphone-freier Raum bleiben, zur Vorbereitung aufs Berufsleben. Denn mittlerweile würden viele Unternehmen private elektronische Geräte während der Arbeitszeit verbieten: „Der Gebrauch hat teilweise überhandgenommen.“
Mögliche Konsequenzen einer Lockerung sind für August Braun, Schulleiter der Montessori-Schule Kempten, ein Thema. Dürften private Smartphones angeschaltet werden, müssen für ihn Regeln her: „Die Schulen brauchen ein Konzept für den verantwortungsvollen Umgang.“An seiner Schule werde das Verbot eng gehandhabt, auch wegen einer möglichen Strahlenbelastung.
Laut der Immenstädter Schülersprecherin Weingand gibt es ab und zu Klagen, dass Lehrer mit dem Verbot zu eng umgehen. Schalten Schüler die Mobiltelefone an, dürfen Lehrer die Geräte einkassieren. Dabei erlebt der Lehrerverband-Vorsitzende Reinhard Gogl heftige Reaktionen: „Da stehen auch mal die Eltern auf der Matte und beschweren sich.“