Ein Geist, gefangen in seiner Haut
„A Ghost Story“: Ungewöhnliches Drama über Trauer und Erlösung
asey Affleck ist in seiner neuen Rolle in „A Ghost Story“stets präsent, aber kaum zu sehen. Denn in dem Independent-Film spielt er einen Mann, der nach seinem Tod als Geist in sein früheres Haus zurückkehrt.
Die beiden jungen Menschen, von denen Regisseur David Lowery hier erzählt, haben keine Namen. Nur zwei Anfangsbuchstaben, M (Rooney Mara) und C (Affleck). Sie bleiben in dieser Hinsicht so rätselhaft wie vieles in diesem Film. So unerwartet C ums Leben kam, so unerwartet steht er im Krankenhaus wieder auf, obwohl er gerade seinen Verletzungen erlegen ist. Ganz langsam und als Geist, der exakt so aussieht, wie man sich Geister oft vorstellt: nicht als Furcht einflößende Fratze, sondern als weiß umhüllte Gestalt. Die Liebe zu M führt ihn zurück in das Haus, das er mit seiner Frau bewohnt hat. Doch dort ist er gefangen und hat kaum eine Möglichkeit, in die Welt der Lebenden einzugreifen. Tatenlos muss er zusehen, wie M leidet und trauert, wie sie sich irgendwann mit einem anderen Mann trifft und schließlich auszieht. Nur C kann nicht aus seiner Haut beziehungsweise seinem Laken. Er scheint verdammt, auf ewig in dem Haus ausharren zu müssen.
Lowery hat „A Ghost Story“nach seinem ersten Hollywood-Film „Elliot, der Drache“gedreht, mit wenig Aufwand und ohne Rücksicht auf kommerzielle Aspekte. Er spielt mit den Vorstellungen von Geistern, nimmt diese allerdings ernst. Mehr noch: Er will nicht von jenen erzählen, die mit dem Geist konfrontiert werden, sondern von dem Geist selbst. „A Ghost Story“ist die Geschichte eines Geistes, die sich radikal dessen Raumund Zeitempfinden unterordnet, was der Inszenierung eine enorme künstlerische Freiheit eröffnet. Manche Szenen dehnt der Film schier unendlich lang, manchmal rast die Zeit nur so dahin. Als Gruselfilm funktioniert „A Ghost Story“überhaupt nicht, wohl aber als sperriges Drama über Verlust und Trauer und die Ahnung, dass es mehr gibt im Leben als das, was man mit den Augen sehen kann.
Casey Affleck ist als Geist ganz und gar uneitel. Er hat sich darauf eingelassen, in diesem Film weitgehend unsichtbar zu bleiben. Verborgen unter einem langen weißen Laken bestreitet er nahezu den gesamten Film. Einen Oscar-Gewinner derart zu verstecken und zum Beobachter ohne große physische Ausdruckskraft zu verdammen, ist vielleicht die größte Dreistigkeit dieses Films. Hier vollzieht sich eine Auflösung aller Regeln und alles Oberflächlichen, um den Blick für etwas Neues zu öffnen. (KNA)