Opposition fordert Kampf gegen Kinderarmut
CSU-Landesregierung streitet mit SPD, Grünen und Freien Wählern über Ursachen und Bekämpfung
MÜNCHEN - In einem sind sich alle Fraktionen des bayerischen Landtags am Dienstag in der aktuellen Stunde zur Kinderarmut einig gewesen: Jedes arme Kind im Freistaat ist eines zu viel. Doch das war die einzige Gemeinsamkeit.
SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen bezifferte die Zahl der von Armut bedrohten Kinder und Jugendlichen im Freistaat auf 245 000. Für ein reiches Bundesland wie Bayern sei das „eine Schande, gegen die wir sofort etwas unternehmen müssen“, sagte Kohnen. Die SPD-Landeschefin forderte daher kostenlose Kitas, Ganztagsschulen, flexiblere Arbeitszeiten, Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit und eine „Kindergrundsicherung“.
CSU-Sozialexperte Joachim Unterländer räumte ein, dass auch in Bayern das Armutsrisiko für Alleinerziehende und kinderreiche Familien überdurchschnittlich hoch sei. Unterländer verwies aber auf die Spitzenstellung des Freistaats, in dem die Kinderarmut wesentlich geringere Ausmaße habe als in den anderen Bundesländern. Er räumte ein, dass Armut unter anderem auch mit den Hartz-IV-Sätzen für Kinder zu tun habe, die „nicht so sind, wie es sein sollte“. Die SPD zeichne ein Bild vom Freistaat, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun habe, sagte der CSU-Parlamentarier Florian Hölzl. Aus seiner Sicht verhindert in erster Linie Beschäftigung Kinderarmut. Und da sei Bayern mit einer Arbeitslosenquote von derzeit 2,9 Prozent in Deutschland an der Spitze. Hölzl wies Vorwürfe zurück, die Staatsregierung tue zu wenig für die Kinderbetreuung. Seit 2008 seien 80 000 Betreuungsplätze für Kinder bis zu drei Jahren geschaffen worden. Von der CSU sei nicht eine einzige Initiative zur Bekämpfung der Kinderarmut gekommen, kritisierte die SPD-Sozialpolitikerin Doris Rauscher: „Unter kraftvoller Politik stelle ich mir etwas anderes vor.“Oppositionsanträge in diesem Bereich wimmele die Mehrheitsfraktion stets „mit fadenscheinigen Argumenten“ab.
Grüne sehen Realitätsferne
Grünen-Fraktionschefin Katharina Schule sah das Hauptproblem darin, dass die „bunte familienpolitische Wirklichkeit in Bayern auf eine CSUFamilienpolitik von gestern“treffe. Die Sozialpolitikerin der Freien Wähler Gabi Schmidt bezifferte die Zahl der tatsächlich in Armut lebenden Kinder und Jugendlichen in Bayern auf 140 000. Dazu kommen Tausende weitere, die als armutsgefährdet gelten. „Das ist ein Skandal – besonders für ein reiches Land wie Bayern“, sagte Schmidt. Die Staatsregierung habe es jahrelang versäumt, Kinderarmut und ihre Ursachen wirksam zu bekämpfen und so ein System geschaffen, das sich immer wieder reproduziere.