Aus der eigenen Kindheit hat er sich weggeträumt
Der Erfinder des Sams: Der Autor und Illustrator Paul Maar wird heute 80 Jahre alt
BONN (KNA) - Der Kinderbuchautor Paul Maar beglückt mit seinen Büchern, Stücken und den Verfilmungen seiner Werke seit vier Jahrzehnten die Kinder. Aufhören will er damit nicht, dazu fällt ihm auch mit 80 noch zu viel ein. Heute feiert Paul Maar Geburtstag.
Seinen warmen, mainfränkischen Dialekt aus Kindertagen hat Paul Maar nie abgelegt. Und unermüdlich zeichnet er den Kindern, die ihm nach einer Lesung ihr „Sams“-Buch hinhalten, mit wenigen Strichen das unverkennbare Fabelwesen samt Autogramm auf die vordere Seite.
Fantastische Ideen
Dabei wird deutlich: Der freundliche Mann mit dem grauen Schnauzbart, den lachenden Augen und den Wuschelhaaren, die sich – genau wie seine fantastischen Ideen im Kopf darunter – kaum bändigen lassen, könnte durchaus seinen Sams-Werken entsprungen sein. Ähnelt er doch nicht von ungefähr zum Beispiel dem schüchternen, weil vom Leben eingeschüchterten Herrn Taschenbier. Dem scheuen Einzelgänger, der von seiner Vermieterin Frau Rotkohl ständig gemaßregelt und auch im Büro eher gemobbt wird. Bis das Sams, mit Pumucklfrisur, Schweinsrüssel und sommersprossenartigen Wunschpunkten auf der Nase, sein Leben gehörig durcheinanderwirbelt und letztlich zum Guten wendet.
Paul Maar wurde am 13. Dezember 1937 in Schweinfurt geboren. Doch er, der schon seit fast vier Jahrzehnten junge Leseratten so nachhaltig begeistert mit seinen Theaterstücken, Illustrationen, Geschichten und Versen, hatte selbst alles andere als eine schöne Kindheit. Seine Mutter starb, als er fünf Jahre alt war. Sein Vater, Marinesoldat im Zweiten Weltkrieg, überließ die Erziehung Hausmädchen, bis er erneut heiratete.
Während der Kriegsgefangenschaft des Vaters zog Maar mit seiner Stiefmutter zu deren Eltern in die unterfränkische Provinz. Die Enge dort bedrückte ihn. Dem „Heinrichsblatt“, der Bamberger Bistumszeitung, antwortet Maar auf die Frage, ob er als Kind religiös erzogen wurde: „Ich habe nicht so gute Erinnerungen an die katholische Erziehung durch meine Großmutter: Sie ging jeden Morgen um sechs Uhr in die Frühmesse, ich musste mit und jeden Morgen um fünf Uhr aufstehen.“
Ein Glücksfall für den kleinen Paul war sein Großvater. Er soll ein begnadeter Geschichtenerzähler gewesen sein, der als Wirt seine Gäste unterhielt. Seine Geschichten weiteten sich mit jeden neuen Vortrag aus. Er ermunterte seinen Enkel, selbst ausgedachte Geschichten in einem Heft zu notieren. Das prägte den Autor in spe.
Doch dann kam der Vater zurück, und die Familie zog wieder nach Schweinfurt. Der blasse Paul wurde in der Schule oft gemobbt und flüchtete sich in eine Fantasiewelt. Seine Lektüre, die er sich in Leihbibliotheken besorgte, bunkerte er heimlich bei Freunden – sein Vater hatte für diese Leidenschaft wenig übrig.
Nach dem Abitur studierte Maar an der Staatlichen Akademie der Künste in Stuttgart Kunsterziehung. An seine Seite gesellte sich damals schon seine spätere Frau Nele Ballhaus, deren Bruder Michael Ballhaus zu einem der bedeutendsten Kameramänner der Welt wurde.
Die Familie Maar/Ballhaus betreibt heute in dritter Generation das Fränkische Theater Maßbach. Der ewigen Märchenstücke überdrüssig, animierte der dortige Intendant seinen Schwiegersohn, dessen Erstlingsstück „Der König in der Kiste“(1971) uraufzuführen. Paul Maars zweites Stück „Kikerikiste“wurde zu einem Riesenerfolg, auch im Ausland. Heute gilt Maar als einer der meistgespielten deutschen Autoren. Seine fast 50 Werke – als Stückeschreiber, Autor und Illustrator – sind längst Klassiker geworden.
Ans Aufhören denkt er nicht
Viele Grundschulen tragen seine Namen, nach seinem 80. Geburtstag werden weitere hinzukommen. Auch in Bayern oder gar an seinem Wohnort Bamberg? Diese Ehrungen stehen noch aus. Fragt man ihn nach seinem Lieblingsbuch, sind es die zwei, die der eigenen Biografie am Nächsten stehen: Zum einen „Kartoffelkäferzeiten“über die entbehrungsreichen Hungerjahre, die er als Kind erdulden musste. Und zum zweiten „Lippels Traum“über den Ausweg des schüchternen Jungen Lippel. Der Verlag gibt zu Maars 80. Geburtstag ein neues Sams-Buch heraus. Denn der Vater von drei Kindern und drei Enkeln will es nicht missen, am Schreibtisch zu sitzen und den Moment zu genießen, „wo es läuft und läuft und die Figuren zu sprechen beginnen“.