Lindauer Zeitung

„Ein Haifischbe­cken“: Das Geschäft mit den Altkleider­n

Jeder Bayer wirft jährlich mehrere Kilogramm Kleidung in Altkleider-Container – Probleme bereiten illegale Sammler und ein hoher Konkurrenz­druck

- Von Elena Koene

GEISENHAUS­EN (lby) - Zu klein, zu eng, aus der Mode gekommen – Gründe, den Kleidersch­rank auszumiste­n, gibt es viele. Wer sich nicht die Mühe macht, die Kleidung auf Flohmärkte­n oder in Second-HandLäden zu ein paar Euro zu machen, wirft sie in einen Altkleider­container. Kaum einer achtet dabei aber darauf, wem er seine alten Klamotten gratis überlässt. Und so gut wie niemand bekommt mit, welche Konkurrenz auf dem Altkleider-Markt herrscht.

„Das ist ein Haifischbe­cken“, sagt Heino Jahn, Leiter der Landesgrup­pe Bayern beim Verband kommunaler Unternehme­n (VKU). Denn wie bei allen Abfallarte­n, die noch Geld bringen, wollen viele Akteure ran. In Bayern werden laut dem Landesamt für Umwelt (LfU) jährlich etwa 53 500 Tonnen Alttextili­en gesammelt – pro Einwohner etwa 4,4 Kilogramm. Neben gewerblich­en und kommunalen Sammlern mischen auch karitative Einrichtun­gen mit. „Und das größte Problem sind die vielen illegalen Sammler, die einfach irgendwo rechtswidr­ig Container aufstellen und die Ware zu Geld machen“, sagt Jahn.

Wer allerdings das Recht auf die Altkleider hat, die nach der Sortierung beispielsw­eise in Osteuropa oder Afrika weiterverk­auft werden, ist nicht eindeutig geregelt. Auch die Neuauflage des Kreislaufw­irtschafts­gesetzes aus dem Jahr 2012 hat keine Klarheit gebracht. Gewerblich­e Sammlungen – so heißt es in dem Gesetzeste­xt – sind zwar grundsätzl­ich erlaubt, müssen aber der zuständige­n Behörde angezeigt und von dieser genehmigt werden. Dabei darf aber der öffentlich-rechtliche Entsorger nicht gefährdet werden. Das wäre beispielsw­eise der Fall, wenn diesem viel Geld verloren geht.

Wegen der unklaren Formulieru­ng landen wie auch bei anderen Abfallarte­n viele Streiterei­en vor Gericht. „Überall da, wo auch die Kommune mitmischen will, wird versucht, die Sammlung zu untersagen“, sagt Martin Wittmann, Geschäftsf­ührer des gleichnami­gen Recyclingb­etriebs im niederbaye­rischen Geisenhaus­en. „Nach so einer Untersagun­g brauchen die Firmen einen Anwalt und einen langen Atem“, sagt Wittmann. „Den haben bei weitem nicht alle Sammler und viele haben das Geschäft mittlerwei­le aufgegeben. Wir haben Gott sei Dank mittlerwei­le eine Größe erreicht, bei der wir uns den bürokratis­chen Aufwand leisten können und mit Hilfe eines Anwalts die meisten Streitigke­iten gewinnen können.“

Wittmann hat als größter Altkleider­sammler Bayerns im Freistaat mittlerwei­le rund 4200 Container stehen – laut LfU gibt es bayernweit rund 7000 legale Sammelbehä­lter. Viele der Wittmann-Container leert das Unternehme­n allerdings im Auftrag der Kommunen. Etwa die Hälfte der Kommunen in Bayern will mit der Textilsamm­lung Geld einnehmen und vergibt die Sammelleis­tung inzwischen, schätzt Wittmann, der beim Entsorgerv­erband bvse zugleich Vorsitzend­er im Fachverban­d Textilrecy­cling ist.

Selbst in die Sammlung und Vermarktun­g eingestieg­en ist bisher nur die Stadt München, in Augsburg gibt es entspreche­nde Pläne. VKU-Vertreter Jahn, der im Münchner Abfallwirt­schaftsbet­rieb auch die Logistik leitet, ist mit dem Sammelerfo­lg seit 2013 sehr zufrieden: „4500 Tonnen sammeln wir in unseren eigenen Containern pro Jahr in etwa“, sagt Jahn. „Diese Mengen verkaufen wir an Sortierer und Verwerter weltweit und verrechnen das eingenomme­ne Geld mit den Gebühren für die Restmüllen­tsorgung, die die Münchner ja zahlen müssen.“

Wie viel Geld sich genau mit den alten Kleidern verdienen lässt, darüber lassen sich die Unternehme­n nicht in die Karten schauen. Wittmann betont allerdings: „Die Margen sind kleiner geworden. Um das aufzufange­n, haben wir den Vertrieb intensivie­rt, arbeiten viel mit karitative­n Sammlern zusammen und haben so die Masse erhöht.“Neben geringeren Erlösen haben die Alttextile­r noch ein weitaus größeres Problem: die vielen illegalen Sammler. Wittmann schätzt, dass ein Viertel bis ein Drittel der Altkleider im „grauen Markt verschwind­en“. Auch Jahn berichtet von Nacht- und Nebelaktio­nen, bei denen plötzlich Container aufgestell­t und kurz danach wieder abgebaut werden. Falsche RotKreuz-Symbole suggeriere­n, dass für den guten Zweck gespendet wird, angegebene Telefonnum­mern laufen ins Leere.

Für die legalen Sammler sind die Mauschelei­en auf dem Alttextilm­arkt nicht nur geschäfts-, sondern auch rufschädig­end. Der Entsorgerv­erband bvse versucht, mit Qualitätss­iegeln, die auf die Container geklebt werden, die Seriosität der Sammlung sicherzust­ellen und für den Verbrauche­r sichtbar zu machen: Dieser Behälter wurde nicht illegal aufgestell­t. Für Wittmann tragen die Kommunen aber eine kleine Mitschuld an dem Wildwuchs in der Sammlung: „Ich würde mir wünschen, dass vor allem die Landratsäm­ter vehementer gegen illegale Sammler vorgehen.“

 ?? FOTO: ARMIN WEIGEL ?? Altkleider auf dem Gelände der Recycling-Firma Wittmann in Geisenhaus­en. Nach der Sortierung werden sie nach Osteuropa und Afrika verkauft.
FOTO: ARMIN WEIGEL Altkleider auf dem Gelände der Recycling-Firma Wittmann in Geisenhaus­en. Nach der Sortierung werden sie nach Osteuropa und Afrika verkauft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany