Nationalismus statt Idealismus
Zugegeben, der Motor der USamerikanischen Wirtschaft brummt, die Börse bricht nahezu täglich Rekorde, die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie lange nicht mehr. Sie sind nur noch Schall und Rauch, die düsteren Prognosen jener Experten, die einen Crash vorhergesagt hatten, falls Donald Trump ins Weiße Haus einziehen sollte.
Apple holt im Ausland geparkte Milliarden zurück, um daheim zu investieren. Die Steuerreform beginnt ihre Wirkung zu entfalten, vielleicht wird sie ein kurzes Wirtschaftswunder befeuern, auch wenn es langfristig auf Schuldenberge in gefährlicher Höhe hinausläuft. Und da der Leitsatz der Wahlstrategen – „It’s the economy, stupid!“– nach wie vor gilt, hat Trump nicht die schlechtesten Karten, im Herbst 2020 sein nächstes Votum zu gewinnen.
Nur darf die oberflächliche Analyse nicht den Blick darauf verstellen, was dieser Mann an Schaden anrichtet. Er hat nicht weniger getan, als die Verlässlichkeit der Vereinigten Staaten infrage zu stellen. Er hat mit dem Grundverständnis einer Politik gebrochen, wie sie seit 1945 das Denken im Oval Office bestimmte. Amerika als Garant der liberalen, offenen, auf Zusammenarbeit angelegten Weltordnung, keineswegs selbstlos, aber eigene Interessen in ein größeres Ganzes einbettend: Diese aufgeklärte Sicht hat Trump durch einen kleinkarierten, zornigen, nachtragenden Nationalismus ersetzt.
Gewiss, er ist nicht der erste USPräsident, an dem sich die Verbündeten reiben. Gewiss, es gab interventionistische Irrwege, unter Lyndon B. Johnson in Vietnam, unter George W. Bush im Irak. Und dass Barack Obama Bushs Hybris mit einer Außenpolitik ausgeprägter Zurückhaltung beantwortete, entsprach der Grundstimmung einer Wählerschaft, die nichts mehr davon hielt, die Boys in Uniform in die Ferne zu schicken.
Was Trump jedoch von all seinen Vorgängern unterscheidet, ist der brachiale Traditionsbruch, die völlige Abkehr vom idealistischen Anspruch der amerikanischen Republik. Dass die Erde eine Arena ist, in der einer gegen den anderen kämpft und sich der Stärkste rücksichtslos seiner Macht bedient: Das ist fatalerweise die neue Philosophie.