Freistaat investiert in Breitbandausbau
Studien weisen große Defizite bei Breitbandversorgung und Mobilfunk in Bayern nach
MÜNCHEN (rm) - Die Staatsregierung will bis 2022 eine weitere Milliarde Euro für den Glasfaserausbau in Bayern bereitstellen. Das kündigt Finanzstaatssekretär Albert Füracker (CSU) an. Der Freistaat solle mit „flächendeckend Gigabit“ausgestattet werden. Bislang steht Bayern aus Sicht der Unternehmen nicht gut da, was die Breitbandversorgung und den Mobilfunk angeht. Das zeigen zwei Studien der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft.
MÜNCHEN - Licht und Schatten zeigen zwei Studien der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) über den Stand der Breitbandversorgung und der mobilen Kommunikation im Freistaat auf. Sicher ist allerdings: Weltspitze ist anders. Bis zur flächendeckenden Verfügbarkeit eines schnellen Internets und der lückenlosen mobilen Sprach- und Datenkommunikation ist noch ein weiter Weg.
Jedenfalls bis 2025. Für dieses Jahr kündigt der zuständige FinanzStaatssekretär Albert Füracker (CSU) „flächendeckend Gigabit“an. Ein Gigabit sind 1024 Megabit. Bis 2022 wolle die Staatsregierung eine weitere Milliarde für den „Gigabit-Glasfaserausbau“im Freistaat bereit stellen.
Förderprogramm zeigt Erfolge
Der Netzausbau macht nach der vbw-Studie „Versorgungsgrad der digitalen Infrastruktur in Bayern“zwar spürbar Fortschritte, die Ansprüche der Unternehmen wachsen aber mindestens ebenso schnell. „Die Zufriedenheit der Unternehmen nimmt mit dem Ausbaustand nicht zu“, stellt vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt fest.
Ende 2016 waren in Bayern für 84,1 Prozent der Haushalte Netzgeschwindigkeiten von mindestens 30 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) verfügbar – 7,7 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr und 10,6 Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt. Hier zeigten sich die Erfolge des bayerischen Förderprogramms, heißt es in der Studie. Doch mit oberem Mittelmaß in Deutschland darf sich Bayern nicht zufriedengeben, meint vbw-Geschäftsführer Brossardt: „Unser Maßstab muss global sein. Und im Vergleich zu Staaten wie Südkorea ist der Nachholbedarf noch groß.“
Tatsächlich lag nach dem Stand vom Juni 2016 die durchschnittliche Verbindungsgeschwindigkeit in Südkorea bei 28,6 Mbit/s, in Deutschland hingegen nur bei 15,3 Mbit/s. Schneller geht unter anderem in Schweden, Japan, den USA, den Niederlanden und auch Tschechien. Im Vergleich zu vielen zitierten Vorbildern verlege Bayern Glasfaserkabel unter die Erde, betont Staatssekretär Füracker. Entscheidender Engpass sein dabei oft die fehlenden Kapazitäten bei den Tiefbauunternehmen.
Derzeit sind 97 Prozent der bayerischen Gemeinden in dem vom bayerischen Finanz- und Heimatministerium aufgelegten Breitbandförderprogramm. Noch in diesem Jahr werden dadurch über 632 000 Haushalte mit Anschlüssen von mindestens 30 Mbit/s versorgt sein. „Alle bayerischen Gemeinden“, so Staatssekretär Füracker, „sind mittlerweile mit Glasfaser angebunden und auf der Datenautobahn angekommen“. Doch der Wirtschaft ist das zu wenig. 57 Prozent der befragten Unternehmen gehen davon aus, dass ihr Bandbreitenbedarf bis 2020 steigen wird, 14 Prozent rechnen sogar damit, dass sie Übertragungsgeschwindigkeiten von über 100 Mbit/s benötigen werden.
Die Hälfte der im Hightech-Land Bayern angesiedelten Unternehmen zeigt sich mit der heute verfügbaren Bandbreite unzufrieden. Ein Drittel berichtet sogar von negativen Folgen fürs Geschäft. Hauptgrund für die Unzufriedenheit ist Schlechtleistung: 40 Prozent der Unternehmen gaben an, dass die vertraglich vereinbarten Datenübertragungsraten in der Realität nicht erreicht werden.
Noch größer ist die Unzufriedenheit mit dem Mobilfunknetz und der schnellen mobilen Datenübertragung. Beinahe jedes zweite Unternehmen berichtet über Nachteile durch unzureichende Netzabdeckung oder eine zu geringe Datengeschwindigkeit. 25 Jahre nach Einführung des D-Netz-Mobilfunkstandards stiegen diese Beschwerden sogar noch an, berichtet die Studie.
Unterwegs schlecht verbunden
Während mobile Sprachkommunikation und Datenübertragung bezogen auf die Haushalte fast flächendeckend verfügbar sind, hapert es nach wie vor gewaltig, wenn man aus dem fahrenden Zug oder Auto kommunizieren will. Besonders häufig geklagt wird über Beeinträchtigungen im Telefonieren oder beim Datenverkehr aus Zügen und in Grenzregionen. „Hier muss nachgebessert werden“, so Brossardt.
Die Studie „Versorgungsgrad der digitalen Infrastruktur in Bayern“legt minutiös dar, wo das Problem liegt: Selbst wenn der weitaus größte Teil eines Verkehrswegs mit Mobilfunk versorgt ist, führt jede einzelne Schwachstelle zu einem Verbindungsabbruch: Schon wenige verbindungsschwache Punkte entlang einer Strecke erschwerten Telefonieren oder mobiles Arbeiten erheblich. Und Lücken gibt es noch viele: 7,8 Prozent der Messpunkte wiesen eine schlechte Empfangsqualität für Telefonie auf. Mobile Datennutzung war an 23,5 Prozent der erfassten Standorte nicht oder nur ungenügend möglich.
„Die Digitalisierung läuft, die Netze müssen mitwachsen“, sagt vbwHauptgeschäftsführer Brossardt. „Bis zu einer flächendeckenden Versorgung mit mindestens 100 Mbit/s ist noch Erhebliches zu leisten.“In den Gewerbegebieten des Freistaats verfügten 70 Prozent der Anschlüsse über Geschwindigkeiten ab 50 Mbit/s. Das bedeute im deutschen Ländervergleich Platz 8. Auch beim Mobilfunk gebe es „noch viel zu tun“.
Die Mobilfunklücken im Freistaat will Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) mit einem „Förderprogramm Mobilfunk“schließen. Dies stieß allerdings bereits auf Kritik, weil es unter anderem vorsieht, dass schlecht versorgte Gemeinden selbst Sendemasten errichten sollen, wobei sie 80 Prozent der Kosten vom Freistaat bezuschusst bekommen. Die Gemeinden finanziell am Ausbau der Infrastruktur zu beteiligen ist nach Ansicht des Freie WählerWirtschaftspolitikers Thorsten Glauber „völlig indiskutabel“.
Aus Sicht der Wirtschaft ist es zweitrangig, wer die Kosten trägt, nur schnell müsse es gehen, fordert Brossardt: „Dort, wo der Markt an Grenzen stößt, muss gegebenenfalls auch zusätzlich fördernd eingegriffen werden.“Die Regierung hat dabei noch ein EU-Problem. Um auch dort zu fördern, wo bereits 30 Mbit/s verfügbar sind, müsse eine entsprechende EU-Leitlinie angepasst werden, so Staatssekretär Füracker.