Neuer Streit über Zuwanderung
Union und SPD ringen um eine Formulierung – Milliardenschwere Einigung bei der Bildung
BERLIN/STUTTGART - Ein gravierender Dissens über die Auslegung eines Maximalwerts bei der Zuwanderung belastet den Start in die Schlussphase der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD. Offenbar verlangt die SPD eine einschneidende Änderung am gemeinsamen Sondierungspapier. In Teilnehmerkreisen hieß es, die Arbeitsgruppe habe den Streit nicht ausräumen können. Nun müsse die Spitze der Unterhändler um Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chef Martin Schulz und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer entscheiden.
Nach den Vorstellungen der SPD soll die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 Zuwanderern im Koalitionsvertrag als rein beschreibende, aber nicht begrenzende Formulierung festgehalten werden. Die Union geht dagegen von einem Zielkorridor aus, der den Maximalwert darstellt und nicht überschritten werden soll. Vor allem die CSU, aber auch weite Teile der CDU bestehen darauf, dass der Akzent auf Begrenzung liegt.
In anderen Bereichen sind sich die Unterhändler dagegen weitgehend einig, etwa bei der Wirtschafts-, Gesundheits-, Verkehrsund Innenpolitik. Die wichtigste Einigung betrifft ein milliardenschweres Bildungspaket. Zwei Milliarden Euro sind für den Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuung geplant. Für die Ganztagsbetreuung von Grundschülern wird ein Rechtsanspruch verankert. Außerdem sind eine Milliarde Euro für eine BafögReform, 600 Millionen Euro für eine bessere Ausstattung der Universitäten und fünf Milliarden Euro für den „Digitalpakt“für Schulen geplant.
In Teilen fallen soll das sogenannte Kooperationsverbot. Dem Bund wäre dann die Finanzierung von Schulen in den Ländern möglich. Bislang durfte Berlin nur finanzschwache Gemeinden finanziell unterstützen. Ein Bekenntnis zu bundesweit einheitlichen Bildungsstandards fehlt in dem Papier jedoch.
Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) warnte am Freitag davor, dem Bund zu viele Kompetenzen zu übertragen. Sie kenne „keine stichhaltigen Argumente, wieso der Bund auf einmal eine bessere Bildungspolitik im Hinblick auf Inhalte und Qualität machen sollte als die Länder“. Sie betonte, das Papier von CDU, CSU und SPD wolle das Kooperationsverbot keineswegs abschaffen. Es handle sich nur um eine Präzisierung, die es dem Bund erlaube, auch finanzstarken Kommunen Geld zu geben. Sie forderte aber: „Es muss eine Belohnung für gute Finanzpolitik geben, keine Ausschüttungen für Länder, die schlicht Investitionen versäumt haben.“Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist ein strikter Gegner aller Versuche des Bundes, sich in die Bildungshoheit der Bundesländer einzumischen. Eine Änderung des Grundgesetzes in diesem Punkt lehnt er kategorisch ab.
BERLIN (sal/dpa/AFP) - Die NPD erhält zurzeit aufgrund ihrer Landtagswahlergebnisse gut eine Million Euro als staatliche Parteienfinanzierung. „Und eine Million Euro für die NPD aus staatlichen Geldern ist eine Million Euro zu viel“, sagt Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).
Parteien werden finanziert, wenn sie im Bund oder bei einer Europawahl mindestens 0,5 Prozent der Stimmen erreicht haben. Bei Landtagswahlen gilt die Grenze von einem Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 hatte die NPD nur 0,4 Prozent geschafft. Sie ist derzeit in keinem Landtag mehr vertreten, hatte aber bei Landtagswahlen in Ostdeutschland zuletzt noch regelmäßig mehr als ein Prozent erreicht. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wies darauf hin, dass die NPD in ihrem Land „sehr umtriebig“sei, auch wenn sie nicht mehr im Landtag vertreten sei.
Es war eines der peinlichsten Verfahren überhaupt, als 2003 das vom Bundestag und Bundesrat gemeinsam angestrebte NPD-Verbotsverfahren vom Verfassungsgericht abgelehnt wurde, weil man nicht deutlich erkennen konnte, welche Aktivitäten von der Partei selbst und welche vom Verfassungsschutz initiiert wurden. Der Bundestag entschied sich gegen einen neuen Verbotsantrag, um nicht die Gefahr eines erneuten Scheiterns in Kauf zu nehmen. Der Bundesrat aber nahm 2013 einen neuen Anlauf zu einem Verbotsverfahren. Auch dies hatte keinen Erfolg. Die Partei sei zwar verfassungsfeindlich, so das Urteil von 2017, habe aber nicht das Potenzial, ihre Ziele durchzusetzen.
Gleichzeitig gab das Verfassungsgericht den Hinweis, dass es möglich sei, der Partei über einen Ausschluss von der Parteienfinanzierung entgegenzutreten. Entsprechende Gesetze wurden im vergangenen Jahr von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Jetzt sind es wieder die Länder, die den konkreten Antrag stellen, die NPD von der Finanzierung auszuschließen.