Deutsch-französischer Schluckspecht
Der Opel Grandland X beweist Größe, ist mit dem durstigen Dreizylindermotor aber etwas schwach auf der Brust
pel schickt seine SUV jetzt Cross und Grand über Land. Seit der Einheirat in den französischen PSA-Konzern (Peugeot/ Citroën) wird im Zeichen des X nicht mehr nur (der) Mokka aufgebrüht, sondern für den deutschen Blitz heißt es jetzt, Land zu gewinnen. Crossland X und Grandland X, die ersten Geschwister aus der deutschfranzösischen Melange, werden so zu Hoffnungsträgern der gebeutelten Marke.
Opel weiß zwar, wie man erfolgreiche Autos baut. Das hat der Konzern noch unter GM mit dem Mokka X bewiesen. Der kleine SUV ist seit 2012 auf dem Markt und hat der Kundschaft auf Anhieb gefallen. Noch im Sommer 2017 stand er in seinem Segment auf Platz eins der Neuzulassungsstatistik. Doch für den Durchbruch reicht ein erfolgreiches Modell eben nicht. Das hat man auch bei Opel erkannt und deshalb 2017 mit sieben Neuen die größte Modelloffensive der Firmengeschichte gestartet. Die SUV profitieren dabei von Synergieeffekten im PSA-Konzern. Vorreiter dafür war der Crossland X. Der Kleine folgte auf den Meriva und ist auf der Plattform des Peugeot 2008 aufgebaut. Der Grandland X wiederum folgt dem Antara und teilt seine Architektur mit dem Peugeot 3008. Beide sind mit PSA-Motoren ausgestattet. Im Gegensatz zum Mokka X verfügen Cross- und Grandland nur über Vorderradantrieb.
Peugeot 3008 und Opel Grandland laufen im französischen Sochaux vom Band. Dort soll der Konzern extra 1000 Zeitarbeiter eingestellt haben, wie die Fachzeitschrift „Automobilproduktion“berichtet. In Rüsselsheim aber wird 4000 Mitarbeitern Kurzarbeit verordnet. Den Opelanern mag der Kurs von PSAChef Carlos Tavarez den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Der Opelfahrer aber soll von den Synergien profitieren. Probieren wir es also aus – mit dem Grandland X.
Der finanzielle Einstieg beginnt bei 23 700 Euro – das sind 50 Euro mehr, als die Basisversion des Peugeot 3008 mit gleichem Motor kostet. Bei diesem Preis sind bereits LEDTagfahrlicht, Tempomat mit Geschwindigkeitsbegrenzer, elektrische Heckklappe und Spurhalteassistent an Bord. Der 1,2 Liter große Turbobenziner läuft auf drei Zylindern und bringt 130 PS auf die Straße.
Mit rund 4,5 Metern Länge, 1,9 Metern Breite und 1,6 Metern Höhe schindet der Grandland X gewaltig Eindruck. Seine Form spiegelt das gewohnte Opeldesign wider: keine hervorstechenden Zierelemente, dafür solide, ansprechende Architektur. Der 1,2-Liter-Benziner läuft nicht ganz vibrationsfrei und klingt bei niederen Drehzahlen etwas angestrengt. Bei zügiger Anfahrt bedeutet das: genügend Stoff geben und fleißig schalten. Was mit einigem Aufwand verbunden ist, denn die Schaltwege sind etwas lang, und die sechs Gänge flutschen nicht so richtig. Ist das 1350 Kilogramm schwere Gefährt aber erst einmal in Schwung, läuft’s wie geschmiert. Auf der Autobahn kommt bei 130 km/h geradezu Wohlfühlatmosphäre auf. Motorund Windgeräusche halten sich in Grenzen.
Der Spurhalteassistent kann seine Vorzüge auf der ausgebauten B 30 voll entfalten. Man sollte ihn allerdings nicht zu stark strapazieren. Überlässt man dem Kerl mehrmals hintereinander das Steuer, deutet er die Passivität als Überforderung – und ruft den Müdigkeitswarner auf den Plan. Dieser bittet dann bereits nach wenigen Kilometern zur Pause.
Während das Einlegen der Gänge beherzten Schub erfordert, erweist sich die Lenkung als sanft und leichtgängig. Auch wenn sie den Kontakt zur Straße ein wenig vermissen lässt, reagiert sie doch direkt und suggeriert – zusammen mit dem strammen Fahrwerk – Sicherheit in allen Verkehrslagen. Die Bremsen packen beherzt zu und wollen wohldosiert sein, sonst zieht es die Passagiere bei jedem Ampelstopp in die Gurte. Die Übersicht lässt trotz erhöhter Sitzposition zu wünschen übrig. Ohne Rückfahrkamera und Sensoren würde das Rangieren einem Blindflug gleichkommen. Parkpilot vorne und hinten sowie die 360-Grad-Kamera, die in der höchsten Ausstattungsvariante „Innovation“serienmäßig an Bord ist, leisten meist gute Dienste. Sie ermöglichen auch automatisches Einparken. Leider sind die Linsen bei Nässe zuweilen getrübt, sodass die Bilder auf dem Display verschwommen erscheinen.
Der Innenraum zeigt sich ebenso großzügig wie das Exterieur. Auf den Vordersitzen wie auch im Fond, dessen Zustieg allerdings recht schmal ausfällt, haben Menschen aller Größen und Gewichtsklassen reichlich Platz. Der Komfort auf dem elektrisch verstellbaren Fahrersitz (Aufpreis 2200 Euro) ist mehr als überzeugend. Ansonsten bestimmt Hartplastik das Bild, wobei das Armaturenbrett weich unterfüttert ist. Die Ablagemöglichkeiten sind nicht gerade üppig – und zuweilen unpraktisch. Die Box unter der Armlehne etwa lässt sich nur öffnen, wenn sie ganz nach hinten eingerastet ist. Nur in dieser Stellung sind dann auch die Getränkehalter zu nutzen.
Während der Peugeot 3008 ein voll digitalisiertes Instrumententableau besitzt, hält Opel an analogen Instrumenten fest. Die Tasten am Lenkrad für Tempomat, Telefon, Spracherkennung und Lautstärke sind kommod bedienbar. Mit „OpelOnstar“ist man ab der zweiten Ausstattungslinie „Edition“voll vernetzt und kann diverse Serviceleistungen in Anspruch nehmen. Der freundliche Herr beispielsweise, der sich nach Betätigung der Taste über dem Rückspiegel aus dem Vereinigten Königreich meldet, kann das Navi programmieren, die nächste Werkstätte ermitteln oder das Auto verriegeln, was uns dann doch etwas unheimlich vorkommt.
Die Zuladung ist üppig. 514 Liter schluckt der Kofferraum, dessen Deckel sich elektrisch öffnet und schließt. Schwere und sperrige Güter über die fast 87 Zentimeter hohe Ladekante zu heben, geht gehörig ins Kreuz.
An der Motorisierung sollten die Franzosen noch etwas feilen. Ein stärkerer Benziner wäre angemessen. Und der von Opel angegebene Normverbrauch (5,4 Liter) lässt sich nicht annähernd realisieren: 8,7 Liter Super verbrannte der kleine Dreizylinder im SZ-Test auf 100 Kilometer. Das scheint für die Größe des Autos ein tragbarer Wert zu sein – nicht aber für einen Motor, der auch im kompakten Peugeot 308 und im kleineren Opel Crossland X läuft.