Wenn der Postmann nicht mehr klingelt
Handwerk und Logistikdienstleister wären von Fahrverboten besonders betroffen
RAVENSBURG - Neben dem Individualverkehr und Pendlern würden mögliche Dieselfahrverbote insbesondere das Handwerk und die Logistikbranche hart treffen. Deren Flotten bestehen – auch mangels Alternativen – fast ausschließlich aus Dieselfahrzeugen. Käme es zur Ultima Ratio, könnten Läden in Innenstädten nicht beliefert, Pakete nicht zugestellt werden oder Handwerker nicht mehr zu ihren Kunden kommen. Ob die Kommunen Ausnahmeregelungen durchsetzen können oder wollen, bleibt offen. Entsprechend kritisch begleiten Unternehmen und Verbände die Diskussion um Fahrverbote.
„Fahrverbote sind für die gut eine Million Handwerksbetriebe existenzgefährdend und deshalb inakzeptabel. Handwerker können keinen Heizkessel mit dem Fahrrad zum Kunden bringen“, schimpft etwa Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Joachim Krimmer, Präsident der Handwerkskammer Ulm, pocht auf den Bestandsschutz für die Investitionen in die Fahrzeugflotten. Handwerker rechneten mit einer Nutzungsdauer von bis zu acht Jahren für ihre Fahrzeuge. Ein Austausch der Flotte auf umweltfreundlichere Fahrzeuge wäre wirtschaftlich nicht darstellbar. Mögliche Ausnahmeregelungen besänftigen Krimmer nicht. Der Inhaber eines Heizungsbauunternehmens in Leutkirch (Kreis Ravensburg) befürchtet zu hohe bürokratische Hürden.
Logistikdienstleister wie die Deutsche Post DHL Gruppe oder Hermes versuchen mit einem Bündel an Maßnahmen möglichen Fahrverboten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Hermes beispielsweise baut seine aktuell ausschließlich dieselbetriebene Flotte von 11 000 Fahrzeugen auf Elektrofahrzeuge um. „Bis 2020 wollen wir 1500 elektrisch angetriebene Vitos und Sprinter von Daimler auf die Straße bringen und bis 2025 in allen deutschen Großstädten ausschließlich elektrisch zustellen“, sagt Hermes-Sprecher Ingo Bertram, der den Diesel trotz der Elektro-Offensive mittelfristig aber für unverzichtbar hält.
Die Deutsche Post DHL Gruppe ist mit ihren Streetscootern da schon etwas weiter: Bundesweit hat der Konzern mit über 5000 dieser selbst entwickelten und produzierten Zustellfahrzeuge – rund 600 davon in Baden-Württemberg – bereits die größte Flotte von Elektrofahrzeugen im Einsatz – unter anderem in Stuttgart und Düsseldorf. Hinzu kommt eine verstärkte Fuß- und Fahrradzustellung in urbanen Räumen. Die Dieselflotte, sagt Pressesprecher Gerold Beck, bestehe in Deutschland ganz überwiegend aus Fahrzeugen der Euro-6-Norm und wäre folglich von einem eventuellen Fahrverbot nicht betroffen.