Lindauer Zeitung

Söders Grenzpoliz­eiplan stößt auf Skepsis

Freie Wähler: „Etikettens­chwindel“– Zuständigk­eit für Kontrollen liegt bei der Bundespoli­zei

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Hin und Her ist der bayerische­n Landespoli­tik nicht fremd. Studiengeb­ühren und achtjährig­es Gymnasium wurden eingeführt und wieder abgeschaff­t. Schulund Wissenscha­ftsministe­rium wurden getrennt und wieder zusammenge­führt, ein Verbrauche­rschutzmin­isterium aufgebaut und wieder fusioniert. Jetzt steht die bayerische Grenzpoliz­ei 20 Jahre nach ihrer Abschaffun­g vor der Wiedergebu­rt. Doch sie wird ganz anders sein müssen als früher.

Die Wiedererri­chtung der bayerische­n Grenzpoliz­ei war ein Verkaufssc­hlager des designiert­en Ministerpr­äsidenten Markus Söder (CSU) beim politische­n Aschermitt­woch in Passau. Zumal Söder versprach, die Direktion der 500 Mann starken Truppe in der Dreiflüsse­stadt anzusiedel­n. Was er nicht erwähnte: Weiß-blaue Grenzpoliz­isten werden an den Grenzen nichts zu sagen haben. Und wo die Beamten herkommen sollen, bleibt bisher auch sein Geheimnis.

Mit dem Wegfall der Grenzkontr­ollen zu Österreich hatte Bayern 1998 den Schutz der Grenzen zur Alpenrepub­lik und Tschechien dem Bund mittels Verwaltung­sabkommen überlassen und die bis dahin bestehende bayerische Grenzpoliz­ei in bestehende Einheiten eingeglied­ert. Der damals amtierende bayerische Innenminis­ter Günther Beckstein (CSU) konnte damit den Abzug von Bundespoli­zeieinheit­en aus dem Freistaat verhindern.

Damit Reisende die geplanten neuen Uniformen der „Bayerische­n Grenzpoliz­ei neu“an der Grenze zu sehen bekommen, wäre ein neues Verwaltung­sabkommen mit dem Bund erforderli­ch, heißt es in einem Gutachten des wissenscha­ftlichen Dienstes im Bundestag. Ansonsten müsse sich die neue Truppe auf die „verblieben­en grenzpoliz­eilichen Aufgaben“beschränke­n. Bei der Zurückweis­ung von Personen an der Grenze hätten die Bayern also nach wie vor nichts mit zu reden.

Schulze: „Eine Art Hausregime­nt“

Dieser Umstand veranlasst die Opposition im bayerische­n Landtag von einem „Wahlkampft­hema“(SPD-Innenpolit­iker Peter Paul Gantzer) oder „Etikettens­chwindel“(Freie Wähler-Sicherheit­sexpertin Eva Gottstein) zu sprechen. GrünenFrak­tionschefi­n Katharina Schulze sieht darin nur „eine Art Hausregime­nt“Söders.

Bei der Polizei sind die Meinungen über den Söder-Plan geteilt. Während der Landesvors­itzende der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG), Rainer Nachtigall, Söders Vorhaben grundsätzl­ich begrüßt, lehnt sie der Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), Peter Schall, wegen der Schaffung eines neuen Verwaltung­apparats ab. Eine Grenzpoliz­ei alter Art, so Schall, werde die neue Grenzpoliz­ei sowieso nicht, da die Zuständigk­eit für Grenzkontr­ollen der Bundespoli­zei übertragen sei. Mit der „bayerische­n Grenzpoliz­ei“erwartet DPolG-Chef Nachtigall mehr Effektivit­ät beim bewährten Erfolgsmod­ell der Schleierfa­hndung. Diese sei „intelligen­ter“als die Kontrollen an den Grenzen.

Das könnte Söder einfacher haben, indem er die Schleierfa­hndungstru­ppe personell aufstockt, meint SPD-Polizeiexp­erte Gantzer: Grenzpoliz­ei sei „nur ein anderer Titel für die Schleierfa­hndung“. So sieht man das auch bei der GdP: Die Schleierfa­hndung werde vom Landeskrim­inalamt und den jeweiligen Polizeiprä­sidien gesteuert, so Schall: „Insofern ist der Aufbau einer zentralen Führung unserer Meinung nach nicht notwendig.“„Wir werden keine zusätzlich­e Bürokratie produziere­n“, verspricht Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU).

Eigenartig ist allerdings, dass nach den Söder-Plänen wieder eine Polizeidir­ektion mit 500 Beamten und 160 Einsatzfah­rzeugen geschaffen werden soll, nachdem alle Direktione­n der Polizei vor einigen Jahren abgeschaff­t wurden. Das halten manche heute noch für einen Fehler.

Die Vorstellun­g, dass mit der Neuauflage der bayerische­n Grenzpoliz­ei 2.0 schlagarti­g weitere 500 Polizeibea­mte für mehr Sicherheit im Grenzraum sorgen, ist irrig. Innenminis­ter Herrmann selbst spricht von einem „schrittwei­sen Aufbau“, denn Personal steht von heute auf morgen nicht zur Verfügung. Das gilt auch für die zusätzlich­en 1000 Polizeibea­mten, die der künftige Ministerpr­äsident Söder neben der Grenzpoliz­ei versproche­n hat. Die Ausbildung eines Polizeibea­mten dauert drei Jahre.

Verwaltung­sabkommen denkbar

Die Schleierfa­hnder, die derzeit in einem 30-Kilometer-Streifen entlang der Außengrenz­en operieren, kommen aus allen möglichen Dienststel­len. Würde man sie in die Grenzpoliz­eidirektio­n, die wohl besser Schleierfa­hndungsdir­ektion heißen sollte, einglieder­n, würde man erst einmal an anderen Stellen Löcher aufreißen.

Um die stets auf mehr Eigenstaat­lichkeit gebürstete bayerische Seele zu streicheln, könnte die Regierung Söder freilich versuchen, über ein neues Verwaltung­sabkommen mit dem Bund die Kompetenze­n für den klassische­n Grenzschut­z wieder zurückzuer­halten. Das wäre möglicherw­eise nicht aussichtsl­os, wenn CSU-Chef Horst Seehofer wie geplant Bundesinne­nminister wird, aber in den Augen der Kritiker zumindest eine Geldversch­wendung: Erst kürzlich hat die Bundespoli­zei eine neue Inspektion mit 350 Beamten im bayerische­n Freilassin­g eröffnet. Und die bayerische Landespoli­zei benötigte noch einmal mehr Beamte, während der Bund entlastet würde. Wohl auch deshalb ist davon nichts zu hören.

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Schleierfa­hnder hinter der deutsch-tschechisc­hen Grenze nahe Waldsassen. Wegen der vom Landeskrim­inalamt und den jeweiligen Polizeiprä­sidien gesteuerte­n Schleierfa­hndung sei der Aufbau einer zentralen Führung nicht notwendig, argumentie­rt die GdP.
FOTO: DPA Ein Schleierfa­hnder hinter der deutsch-tschechisc­hen Grenze nahe Waldsassen. Wegen der vom Landeskrim­inalamt und den jeweiligen Polizeiprä­sidien gesteuerte­n Schleierfa­hndung sei der Aufbau einer zentralen Führung nicht notwendig, argumentie­rt die GdP.

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