Neue Auflagen belasten Vereine
Vor allem kleinere Clubs ächzen wegen neuer Auflagen und fürchten hohe Bußgelder
STUTTGART (tja) - Hohe Strafen, noch mehr Bürokratie: Ab Mai müssen Vereine neue Datenschutz-Vorgaben beachten. Viele Verbände fürchten die Folgen. Sie warnen, der zusätzliche Aufwand und die hohen Risiken würden Ehrenamtliche abschrecken, sich in Vereinsvorständen zu engagieren. „Das sind ja keine Firmen mit hauptberuflichen Rechtsexperten, sondern Freiwillige, die nun mit hohem Aufwand und Strafen rechnen müssen“, so Rudolf Köberle, Präsident des Landes-Blasmusikverbands.
STUTTGART - Ab dem 25. Mai gelten neue Regeln für den Datenschutz. Vereine fürchten den hohen Verwaltungsaufwand und die Risiken, die auf Ehrenamtliche zukommen. Ihnen drohen sehr hohe Bußgelder.
Mit der neuen DatenschutzgrundVerordnung (DSGVO) sollen Verbraucher besser geschützt und ihre Rechte gestärkt werden. Die EU-Vorgaben vereinheitlichen die Standards in Europa, um den Umgang mit sensiblen Daten überall zu verbessern. Auch internationale Unternehmen wie Google oder Facebook können an diesen Regeln gemessen werden: Datenschutzbehörden erhalten mehr Rechte und können Strafen von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes einer Firma verhängen.
„Ich habe Verständnis, dass man das so machen muss“, sagt Claudia Grießer, die Geschäftsstellenleiterin des Bundes Naturschutz in Lindau. Der Verein gehe mit den Daten seiner Mitglieder und Interessenten schon seit langem sehr sorgfältig um. „Man kann nicht sagen, da wird schon nichts passieren.“
Das dicke Aber für Vereine folgt. Sie müssen zum Beispiel künftig genau dokumentieren, wer wann welche personenbezogenen Daten nutzt. Schon die E-Mail eines Übungsleiters, in der er Telefonnummern und E-Mail-Adressen der Kursteilnehmer verschickt, kann zum Problem werden. „Die andere Seite der Medaille ist die Frage, was diese Gesetze für die Ehrenamtskultur bedeuten“, warnt Rudolf Köberle, Vorsitzender des Blasmusikverbandes Baden-Württemberg. „Das sind ja keine Firmen oder Behörden mit hauptberuflichen Rechtsexperten, sondern Freiwillige, die nun mit hohem Aufwand und sogar Strafen rechnen müssen.“Tatsächlich drohen Vereinen empfindliche Bußgelder. Wer etwa keinen Datenschutzbeauftragten benennt, kann mit bis zu zehn Millionen Euro Strafe belegt werden, für größere Verstöße reicht der Rahmen bis 20 Millionen Euro.
Unternehmen im Fokus
Allerdings betont Stefan Brink, der Landesdatenschutzbeauftragte: „Wir wollen keine Kinderturngruppen verfolgen. Aber natürlich müssen auch Vereinsmitglieder nicht hinnehmen, dass beim Datenschutz ihre Rechte verletzt werden.“Grundsätzlich will sich Brinks Behörde bei Bußgeld-Tatbeständen auf große Unternehmen und Organisationen konzentrieren. Wenn aber Beschwerden über kleine Vereine aufschlagen, müssen die Datenschützer ab Mai ermitteln. Und das zu Recht, so Brink: „Da geht es zum Teil um hochsensible und wertvolle Daten, etwa beim Gesundheitssport.“Ein Beispiel: Ein Verein veranstaltet Kurse für Schwangere. Theoretisch ließe sich damit viel Geld verdienen – wenn man die Adressen der Frauen an Unternehmen verkauft, die für Babynahrung werben.
Der Württembergische Blasmusikverband bereitet seine 1400 Mitgliedsvereine seit Monaten auf die Umstellung vor, etwa mit Veranstaltungen und Leitfäden. So halten das viele Landesverbände, um ihre Ehrenamtlichen zu unterstützen. Der Württembergische Landessportbund (WLSB) hofft auf mehr Hilfe vom Land. „Seit Ende Januar soll eine Broschüre des Landesdatenschutzbeauftragten herauskommen, das ist aber noch nicht geschehen“, beklagt Pressesprecher Thomas Müller. Auf viele der wöchentlich rund 30 Anfragen aus den 5700 Mitgliedsvereinen gebe es deswegen keine Antworten.
Der Datenschutzbeauftragte Brink stellt Abhilfe in Aussicht. Ab Freitag steht eine Orientierungshilfe für Vereine im Netz. Bis Mitte Mai soll zusätzlich eine einfach verständliche Checkliste erscheinen. „Wir wollen nicht, dass Ehrenamtler aus Angst vor Auflagen verzweifeln.“
Die Sorge ist berechtigt. Vereine im Land haben immer größere Probleme, Nachwuchs für Ehrenämter zu finden. „Unsere Mitglieder finden kaum Nachfolger für Vorstandsposten. Da spielt die Angst vor Bürokratie und einer möglichen Haftung schon eine Rolle“, berichtet Monika Brocks, Chefin des Schwäbischen Chorverbands. Über die Jahre sei auch durch EU-weite Gesetze vieles dazu gekommen, was die Chöre etwa als Veranstalter von Konzerten berücksichtigen müssten. Der Verbands-Justiziar antwortet mittlerweile täglich auf Anfragen der Chöre zu rechtlichen Problemen.
Ungeliebte Vorstandsposten
WLSB-Sprecher Müller sagt: „Solche Auflagen wie die DSGVO machen Vorstandsposten nicht attraktiver. Vor allem, weil sie eigentlich auf globale Konzerne zielen und nicht auf Sportvereine mit 300 Mitgliedern.“Die DSGVO macht bei größeren Vereinen sogar einen Datenschutzbeauftragten notwendig - und erhöht die Zahl der ungeliebten Posten, die besetzt werden müssen.
„Die Politik sollte sich fragen, welche Auswirkungen neue Gesetze auf die Vereine haben“, sagt Blasmusik-Verbandschef Köberle, selbst lange Minister im Land.. „Leider nimmt die Neigung weiter zu, alles bürokratisch bis ins Letzte zu regeln und keine Freiheiten für nationale oder regionale Besonderheiten zu lassen.“