Verwaltungsgerichtshof stoppt Uferrenaturierung
Regierungspräsidium (RP) legt im östlichen Bereich in Kressbronn los, VGH beendet Arbeiten vorerst wieder
KRESSBRONN - Was für ein Chaos: Das Regierungspräsidium Tübingen hat am Montagmorgen im östlichen Bereich mit den Vorbereitungen zur Uferrenaturierung begonnen, doch der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim stellte am Nachmittag die Arbeiten wieder ein. Der Grund: Anwohner hatten beim VGH Beschwerde eingereicht und damit den Baustopp erwirkt – zumindest vorläufig.
„Wir haben angefangen und mussten dann wieder aufhören“, bestätigt RP-Pressesprecher Dirk Abel am Dienstag auf SZ-Anfrage den Abbruch der Arbeiten. Einen Tag zuvor hieß es in einer Pressemitteilung seines Hauses noch: „Die Uferrenaturierung in Kressbronn geht in die Umsetzungsphase.“Der Plan: Die Renaturierung im östlichen Bereich vom Landungssteg bis zur bayerischen Landesgrenze bis Ende April abzuschließen.
„In einem Rechtsstaat ist es das gute Recht der Anwohner, zu klagen. Es ist aber auch das gute Recht einer Behörde, zu handeln, wenn dem rechtlich aktuell nichts entgegensteht. Dadurch wird das Vertrauen in die Rechtssicherheit und in den Rechtsstaat gewährleistet“, ließ sich Regierungspräsident Klaus Tappeser zitieren. Das Problem für seine Behörde: Anwohner nutzten ihr „gutes Recht“tatsächlich erneut und wandten sich an den Verwaltungsgerichtshof Mannheim als nächst höhere Instanz, nachdem sie sich beim Verwaltungsgericht in Sigmaringen nicht mit der Forderung durchgesetzt hatten, die Renaturierung auszusetzen.
In Mannheim sind inzwischen sieben Verfahren anhängig, wie Rüdiger Albrecht, Vorsitzender Richter am VGH und stellvertretender Pressesprecher, im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung berichtet. Zunächst sei deshalb eine Zwischenverfügung erlassen worden. Die Konsequenz: „Es darf nicht gebaut werden, um keine vollendeten Tatsachen zu schaffen.“Wann eine inhaltliche Entscheidung falle, sei noch nicht zu sagen. „Es könnte aber noch Tage, wenn nicht Wochen dauern“, erklärt der VGH-Sprecher.
RP will öffentlich weitermachen
Für das RP bedeutet das Dirk Abel zufolge: „Abwarten, wie der VGH entscheidet.“Bis zu diesem Zeitpunkt geschehe im privaten Bereich nichts. Gleichzeitig werde aber zusammen mit der Gemeinde Kressbronn geprüft, in wie weit die Arbeiten im öffentlichen Raum fortgesetzt werden könnten. Was öffentlich ist, sei im Detail zu klären.
Und nicht nur das: Wie berichtet könnte laut einem Gutachten die geplante Aufschüttung im westlichen Teil dazu führen, dass sich der Seegrund setzt und angrenzende Häuser Risse bekommen. Deshalb will das RP jetzt Daten sammeln, um die Beschaffenheit des Grunds genau zu bestimmen. Dazu kommt, dass der hohe Wasserstand und die bis vor Kurzem laufenden Gerichtsverfahren einen Baubeginn in diesem Winter ohnehin verhindert haben. Die Arbeiten sollen in der nächsten Niedrigwasserperiode im Winter 2018/19 starten.
Doch auch im Westen will das RP möglichst bald loslegen, wenn es der Verwaltungsgerichtshof denn zulässt, und bis Ende April „illegal errichtete Anlagen im Ufer- und Flachwasserbereich“, also zum Beispiel Stege oder Mauern, entfernen, heißt es in der Pressemitteilung.
Die Anwohner sind naturgemäß nicht begeistert: „Wir fühlen uns schikaniert“, schreibt ein Nachbar. Die Nachricht, dass die Arbeiten am Montag starten sollten, habe ihn am vergangenen Freitag um 21.30 Uhr erreicht. „Wir halten es für absolut falsch, die Stege und Slipanlagen, die weit ins Wasser reichen, bei diesem Pegelstand abzubrechen.“Die Begründung liefert Tierarzt und Anwohner Klaus Oelfken in einem Schreiben an das RP: Eine Begehung der Flachwasserzone habe am Sonntag gezeigt, „dass sich im Bereich der geplanten Abruchmaßnahmen laichende, beziehungsweise laichbereite Groppen aufhalten. Eine Abfischung kommt während der Laichzeit nicht infrage.“
Dirk Abel erwidert, es sei bekannt gewesen, dass die Renaturierung noch im Februar beginnen sollte, weshalb der Baustart für die Anwohner nicht überraschend gekommen sein dürfte. Und was die Groppe angehe, sei der Fisch von den aktuell geplanten Arbeiten „wenn überhaupt, nur in ganz geringem Maße“betroffen. Der RP-Sprecher: „Die Groppen-Population in der Kressbronner Bucht ist in ihrer Gesamtheit in keiner Weise gefährdet. Weder durch die bis April 2018 vorgesehenen Maßnahmen, noch durch die zu einem späteren Zeitpunkt anstehenden Aufschüttungen.“