GroKo verspricht Wohlstand für alle
Parteichefs unterzeichnen Koalitionsvertrag – Debatte um Spahn-Äußerung zu Hartz IV
BERLIN (AFP/epd/dpa) - Fast ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl haben Union und SPD die Neuauflage ihrer Großen Koalition besiegelt. „Sehr viel Arbeit liegt vor uns“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Berlin. Das harte Ringen um die Grundlage einer gemeinsamen Regierung habe sich gelohnt. CDU, CSU und SPD versprachen mehr Einsatz für soziale Sicherheit. „Der Wohlstand muss bei allen Menschen ankommen“, sagte Merkel. Am Mittwoch soll sie vom Bundestag ein viertes Mal zur Kanzlerin gewählt werden.
Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und der künftige Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hoben hervor, dass sie nun schnell damit beginnen wollen, die Koalitionsvereinbarung umzusetzen. Die Inhalte seien eine Antwort auf die Fragen der Menschen, sagte die CDU-Chefin. Die Große Koalition wolle in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung das „Wohlstandsversprechen“der sozialen Marktwirtschaft erneuern.
Seehofer sagte, die neue Bundesregierung werde „eine Große Koalition für die kleinen Leute“sein. Für sie seien Arbeitsplatzsicherung und bezahlbarer Wohnraum besonders wichtig. Die Regierung müsse für den Zusammenhalt in der Gesellschaft Sorge tragen, sagte der kommissarische SPDChef Scholz. „Dafür sollten wir jetzt jeden Tag arbeiten.“
Begleitet wurde die Unterzeichnung des Koalitionsvertrages von der Debatte um eine Äußerung des designierten Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU), wonach Hartz IV nicht Armut bedeute, sondern die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut sei. Grünen-Chef Robert Habeck warf Spahn in der „Bild“-Zeitung „Überheblichkeit“vor. Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping sagte, dies zeige, wofür die künftige Regierung stehe: „Für das Treten nach unten“. FDP-Chef Christian Lindner verteidigte Spahn hingegen: Hartz IV sei keine auf Dauer komfortable Lebenssituation, sondern die Antwort auf Armut, sagte er. Auch Tafeln seien kein Indikator für steigende Armut. Sie bedeuteten nur, dass keine Lebensmittel weggeworfen würden. Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen bezeichnete den Koalitionsvertrag als sozialdemokratisch geprägtes „Sammelsurium“ohne Leitidee.
BERLIN (dpa) - Die neue Regierung will zeigen, dass sie für die Bürger da ist – und lässt sich das einiges kosten: Mindestens 46 Milliarden Euro zusätzlich will sie verteilen.
Das Kindergeld für Familien soll um 25 Euro im Monat steigen. Auch der Kinderzuschlag für Einkommensschwache wird erhöht. Von einem „Baukindergeld“sollen Familien mit mittlerem Einkommen profitieren, denen bislang das Eigenkapital fehlt.
Schüler, Lehrlinge und Studenten
sollen ebenfalls profitieren: Zwei Milliarden Euro sind für den Ausbau von Ganztagsschulen und -betreuung geplant. Außerdem ist eine Milliarde Euro für eine Bafög-Reform zur besseren Förderung von Studenten geplant. Auch in die nichtakademische Ausbildung fließt mehr Geld – etwa 350 Millionen Euro für ein neues Meister-Bafög.
Für Arbeitnehmer soll der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozentpunkte sinken. Und die Arbeitgeber sollen ab 2019 wieder den gleichen Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlen wie die Beschäftigten. Der „Soli“soll schrittweise wegfallen. Wer Teilzeit gearbeitet hat, um sich um das Kind zu kümmern, soll ein Rückkehrrecht in Vollzeit bekommen, mit Einschränkungen bei kleineren Firmen.
Wer als Rentner auf mehrere Jahrzehnte Arbeit zurückblickt, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt hat, soll nach 35 Beitragsjahren eine Grundrente zehn Prozent über der Grundsicherung erhalten.
Um die Mieter zu entlasten, sind zwei Milliarden Euro zusätzlich für den sozialen Wohnungsbau geplant.
Es sollen 8000 zusätzliche Stellen in der Pflege geschaffen werden. Durch flächendeckende Tarifverträge und Angleichung des Pflegemindestlohns in Ost und West soll die Bezahlung von Pflegern verbessert werden. Zudem sind neue Anreize für Aus- und Erholungszeiten für Patientenangehörige geplant.
Bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sollen jeweils 7500 zusätzliche Stellen geschaffen werden.
Für schnelles Internet in ländlichen Regionen soll ein Fonds von zehn bis zwölf Milliarden Euro eingerichtet werden.