Regina Ziegler
Die Filmproduzentin über Geld, Kunst – und Carl Laemmle
LAUPHEIM - Regina Ziegler ist eine der Großen im Filmgeschäft. Ihre Karriere begann zu einer Zeit, als Frauen am Set entweder als Stars vor der Kamera standen oder hinter der Kamera in der dritten und vierten Reihe mühselige Organisationsarbeiten erledigt haben. Doch Regina Ziegler, deren Markenzeichen die roten Haare sind, wollte selbst entscheiden, welcher Stoff es wert ist, verfilmt zu werden. Vor der Verleihung des Carl-Laemmle-Preises am Freitag hat sie Katja Waizenegger verraten, was ihr anstrengendster Dreh war – und was sie von einer Quote für Frauen hält.
„It can be done“war Carl Laemmles Lebensmotto. Das ist nicht weit entfernt von Ihrem „Geht nicht gibt’s nicht“, dem Titel Ihrer Biografie. Haben Sie und der Laupheimer Filmproduzent eine Extraportion Durchsetzungskraft und Energie in die Wiege gelegt bekommen? Oder was sonst ist der Grund für diesen Optimismus?
Ob Carl Laemmle und ich da mehr auf die Waage bringen als andere, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, ist, dass Hartnäckigkeit eine Einstellung ist, die ein Produzent unbedingt braucht. Es gibt zahlreiche kleine und auch ein paar sehr große Gründe für diese oder jene Enttäuschung im Lauf einer Produktion. Wer dann einknickt, sollte keine Filme produzieren. Wer Hitze nicht aushält, sollte die Küche meiden.
Sie waren nicht nur eine Frau und mit 29 Jahren noch sehr jung, als Sie den Wechsel in die Selbstständigkeit gewagt haben. Zusammen mit Ihrem späteren Ehemann Wolf Gremm haben Sie 1972 „Ich dachte, ich wäre tot“produziert. Wie hat die Filmwelt damals auf diesen Coup reagiert?
Vorsichtig abwartend die einen, kopfschüttelnd die anderen. Und ein paar auch ein bisschen empört nach dem Motto: „Was will denn die!“. Alles natürlich Männer, die sich nur schwer vorstellen konnten, in ihrem Feld auf eine Frau zu stoßen, die exakt das machen wollte, was doch nur sie konnten. Doch diese Mischung aus Skepsis und milder Empörung hat sich bald gelegt. Man soll ja auch die Männer nicht unterschätzen. Auch sie lernen, wenn sie müssen, recht schnell. Bei mir mussten sie.
Für viele Zuschauer sind Produzenten diejenigen, die das Geld auftreiben. Für die Kunst sorgen dann Regisseur und Schauspieler. Läuft das wirklich so?
Das ist nur eines der ärgerlichen Vorurteile, das natürlich auch von denen verbreitet wird, die es begünstigt. Tatsächlich laufen die Dinge anders. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Meine Produktionen entstehen fast immer auf der Basis von Büchern oder Geschichten, die ich ausgegraben habe. Da dauert es oft noch zwei, drei Jahre, bis daraus etwas wird. Und in der Regel kommt ein Regisseur, den ich auch auswähle, erst dann dazu. Und die Schauspieler wählen wir meistens gemeinsam aus. Ich mache nicht Kunst im genauen Sinn, aber ich mache sie möglich. Alles hat von Anfang an mit Geld zu tun (das ich beschaffen muss), und vieles hat mit Kunst, mit Stil, mit Ästhetik zu tun. Da ist dann die Regie besonders wichtig. Aber ebenso der Komponist, der Cutter, die Kamera. Produzieren ist jeden Moment Teamwork. Und außerdem: Kunst ohne Geld ist und bleibt brotlos.
In Ihrer Biografie schreiben Sie von Filmdrehs, die in vielerlei Hinsicht problematisch waren. Welcher war der schlimmste? Und was können Sie als Produzentin tun, damit ein Dreh gelingt?
Ja, es gibt solche „Katastrophen“am Drehort. Reibungslos Produzieren ist wesentlich eine Frage der Routine. Ich habe da am Anfang meiner Tätigkeit manchmal schwer leiden müssen. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Im November 1976 auf dem Teufelsberg in Berlin mit 250 Komparsen für den Spielfilm „Heinrich“von Helma Sanders-Brahms. Die Komparsen liegen in Matsch und Schnee und natürlich frieren sie. Was macht die Produzentin? Sie fährt in den nächsten Schnapsladen und kauft jede Menge Korn zum Aufwärmen. Ganz nebenbei war auf einmal auch die Stimmung gut. Heute verlasse ich mich auf meine Producer. Und wenn die in Not sind, reise ich an.
Sie haben von der Gute-Laune-Komödie „Moppel-Ich“über die erfolgreiche Fernsehserie „Weissensee“bis zu Schlöndorffs „Rückkehr nach Montauk“alles produziert, was das Genre Film an Bandbreite zu bieten hat. Produzieren Sie manche Filme, die ein breites Publikum ansprechen, um andere mit einem höheren Anspruch zu finanzieren?
Ich achte da auf eine Balance zwischen Brot-und-Butter-Produktionen, die ich brauche, um den Betrieb zu finanzieren, und anspruchsvollen Projekten, die wichtig sind für mein Image. Von dem Drehbuchautor Wolfang Kohlhase stammt der Satz: „Wahre Liebe ekelt sich vor nichts!“Ein bisschen etwas von dieser Haltung müssen wir haben. Ich kenne keinen Kollegen, der nur mit Anspruch überlebt hätte. Aber damit Sie mich nicht missverstehen: Man darf auch das weniger Schwere nicht mit der linken Hand erledigen. Das verzeiht kein Publikum. Man muss es mit demselben Engagement und derselben Präzision machen wie große Kunst.
Wie wird sich die Filmlandschaft durch die Streamingdienste verändern?
Der Wettbewerb um die besten Stoffe und die besten Autoren wird sich massiv verschärfen. Die Finanzierungsmodelle werden sich verändern, es werden drei, vier, fünf Co-Produzenten zusammenarbeiten, weil das Budget für einen zu groß ist. Streaming ist vor allem Globalisierung der Verbreitung. So wird sich nicht zuletzt auch die Ausspielung ändern. Fernsehen wird immer weniger der Ort der Erstausstrahlung sein. Der Kinobesuch wird unter Druck geraten. Nichts wird so bleiben, wie es noch ist.
Inwieweit betreffen diese Veränderungen auch Ihre Arbeit als Produzentin?
Der Einzelgänger wird es schwerer haben, wenn er keine Partner findet. Vielleicht wird es auch eine Spezialisierung geben, eine neue Arbeitsteilung, nach der einer nicht mehr alles von A bis Z macht. Das hat ja schon begonnen. Aber eines wird sich nicht ändern: Stoff und Geld müssen sich finden. Und dabei will ich auch in Zukunft gerne helfen.
In Ihrer Biografie schreiben Sie, dass Sie Ihren Erfolg nicht relativieren wollen, weil Sie hart dafür gekämpft und Opfer gebracht haben. Sind Frauen Ihrer Meinung nach zu bescheiden?
Vielleicht waren sie das. Doch diese Zeit ist eindeutig vorbei. Ob jemand ein Mann oder eine Frau ist, spielt kaum noch eine Rolle. Jedenfalls dort, wo ich meine Erfahrungen mache.
Sie haben sich in einem Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“dafür ausgesprochen, dass mehr Frauen in Spitzenpositionen müssen, auch als Produzentinnen und Regisseurinnen. Braucht es tatsächlich noch die Quote, die Sie nie in Anspruch genommen haben?
Ich war tatsächlich nie für eine Quote. Ich war für Entwicklung. Es nützt wenig, eine Frau mit Aufgaben zu betrauen, denen sie nicht gewachsen ist. Und sich dann hinzustellen und zu sagen: Seht ihr! Was für Männer natürlich genauso gilt – nur haben die die besseren Netzwerke. Ich denke, dass mir die Entwicklung recht gibt. Es tut sich was, auch weil viele Frauen das Thema am Kochen halten. Wir haben heute zum ersten Mal in der deutschen Geschichte weibliche Vorsitzende in den beiden großen politischen Parteien. Auch in meiner Branche verändert sich etwas. Wichtig ist: Frauen müssen zeigen können, dass sie können, was Männer können. Man muss ihnen eine Chance geben, notfalls zusammen mit Beratung.