Süßer die Glocken nie klingen
Das Verhältnis des Christenmenschen zur Kirchenglocke ist ja ein durchaus zwiespältiges. Der Grad der Zuneigung zum metallenen Klangkörper ist meist kongruent mit der Entfernung von demselben, während er das vertraute Geräusch verbreitet. Erst kürzlich hat sich der Kollege G. in der morgendlichen Konferenz despektierlich über das Geläut geäußert. Weiß der Mann nicht, dass es nichts Beruhigenderes gibt, als das ferne Dingdong aus der Stadt, wenn man sonntagmorgens gemütlich im Bett liegt? Doch, aber er wohnt direkt neben dem Kirchturm.
Kollege H. erinnert sich mit Grausen an eine seiner härtesten Nächte, als er mit dem Kollegen E. im Elsaß weilte. Im Doppelzimmer, aus Spargründen. Kollege E. hat ein unüberhörbares Schnarchproblem, und immer wenn Kollege H. drauf und dran war, den Kampf ums Einschlafen letztlich dennoch siegreich zu gestalten, schlug ihm vom unmittelbar neben dem Fenster platzierten Kirchturm die Stunde. Zum Wahnsinnigwerden; erst das fahle Licht des herannahenden Sommertages linderte die Schmerzen.
Warum wir uns so salbungsvoll mit ollen Kamellen aus der Jugendzeit beschäftigen? Im Weiler Steinach bei Bad Waldsee in Oberschwaben sorgte kürzlich ein technischer Defekt dafür, dass die Glocke der Kapelle stundenlang nicht mehr aufhörte zu schlagen – am frühen Morgen. Abhilfe schaffte erst der zur Hilfe gerufene Mesner Wilhelm Noppenberger. „Ich habe die Sicherung herausgenommen“, erklärte der Mann sein segensreiches Wirken. Was hätten wir in jener Elsässer Schmerzensnacht für seine Telefonnummer gegeben. Im Übrigen muss man halt darauf achten, wo man seine Nächte verbringt, nicht wahr Kollege G. (hü)