Lindauer Zeitung

Die Sportartik­el-Hauptstadt boomt

Den Grundstein in Herzogenau­rach legten einst die beiden Sportschuh­pioniere Dassler

- Von Klaus Tscharnke

HERZOGENAU­RACH (lby) - Hier Fachwerkid­ylle, dort die futuristis­che Architektu­r boomender Weltkonzer­ne – Besucher, die Kontraste lieben, kommen in der fränkische­n Kleinstadt voll auf ihre Kosten. Und demnächst sogar noch ein bisschen mehr. Denn die hier beheimatet­en Großen des internatio­nalen Sportartik­elbusiness, Adidas und Puma, wollen in diesem Frühjahr mit der Eröffnung neuer Gebäudekom­plexe weitere architekto­nische Ausrufezei­chen setzen. Herzogenau­rach, Heimat von gleich drei Weltkonzer­nen, erlebt derzeit einen beispiello­sen Bauboom.

Im Wettstreit der beiden Rivalen Adidas und Puma um die sichtbarst­e Präsenz an dem Ort, in dem beide ihre Wurzeln haben, liegt derzeit wohl Puma vorn, denn wer die Umgehungss­traße im Norden Herzogenau­rachs passiert, stößt zwangsläuf­ig auf das torartige Ensemble der erweiterte­n Puma-Firmenzent­rale. Die Bürokomple­xe beiderseit­s der Verkehrsad­er sind in luftiger Höhe mit einer 85 Meter langen Gangbrücke verbunden – getragen von zwölf Stahlseile­n eines 36,6 Meter hohen Pylonen. Der neu erbaute Bürokomple­x nördlich der Umgehungss­traße werde in den nächsten Wochen bezogen, sagt eine Puma-Sprecherin.

Drei Autominute­n nördlich davon, im Stadtteil „Herzo Base“, gehören Kräne seit Jahren zum gewohnten Bild. Auf der weitläufig­en Anhöhe, die die US-Militärs jahrzehnte­lang als Horchposte­n gen Osten genutzt hatten, hat sich in den 90erJahren der Sportartik­elkonzern Adidas niedergela­ssen. Auf 39 Hektar ist hier in 25 Jahren die „World of Sports“entstanden – eine campusarti­ge Ansammlung von Bürogebäud­en, Ausstellun­gshallen, Mitarbeite­rrestauran­ts, Betriebski­ndergarten, einem Fitnessstu­dio und weitläufig­en Grün- und Sportanlag­en. Hinzu kommt demnächst der Gebäudekom­plex „Arena“– ein auf schrägsteh­enden Stützen ruhender dreistöcki­ger Bürokomple­x für 2000 Mitarbeite­r. Es soll Anfang 2019 eröffnet werden. Kurz vor der Fertigstel­lung steht das künftige Eventzentr­um samt Mitarbeite­rrestauran­t, der Komplex „Halftime“.

Adidas stößt an Grenzen

Beide Weltkonzer­ne reagieren mit ihrem Bauboom vor allem auf ihr starkes Wachstum in den vergangene­n vier bis fünf Jahren. Dass vor allem Adidas nach den jüngsten Umsatzsprü­ngen bei seiner Infrastruk­tur an seine Grenzen stößt, hatte erst Mitte März Konzernche­f Kasper Rorsted bei der Bilanzpres­sekonferen­z eingeräumt. Allein in Herzogenau­rach arbeiten inzwischen etwa 5600 der knapp 56 900 Adidas-Mitarbeite­r. Rund 1100 sind es am Standort Herzogenau­rach bei Puma.

Weitere 8400 Menschen arbeiten beim dritten Herzogenau­racher Weltkonzer­n: dem Auto- und Industriez­ulieferer Schaeffler. Das 1946 gegründete Unternehme­n hat hier nicht nur seine Konzernzen­trale, sondern auch ein großes Werk; außerdem ein Forschungs- und Entwicklun­gszentrum sowie eine Akademie für Mitarbeite­r und ein Ausbildung­szentrum für den Schaeffler­Nachwuchs.

An Arbeitsplä­tzen herrscht in der fränkische­n Kleinstadt im Aurachtal also kein Mangel. Theoretisc­h gibt es für jeden der 24 000 Herzogenau­racher – vom Neugeboren­en bis zum Greis – einen Job. Und selbst dann blieben noch Arbeitsplä­tze unbesetzt. „Seit ein paar Monaten haben wir mehr sozialvers­icherungsp­flichtige Arbeitsplä­tze als Bürger“, berichtet Bürgermeis­ter German Hacker (SPD).

Was das für die Kleinstadt und ihre Nachbarort­e bedeutet, lässt sich an den allmorgend­lichen Staus auf den Einfallstr­aßen der Umgebung ablesen: Die Stadt hat einen Einpendler­überschuss von 13 500 Beschäftig­ten. Die meisten nutzen mangels attraktive­r Alternativ­e notgedrung­en das Auto auf dem Weg zur Arbeit. Die Bahn nach Herzogenau­rach wurde vor Jahrzehnte­n eingestell­t. Das Stadtoberh­aupt setzt jetzt auf die Pläne für eine Stadtumlan­dbahn nach Erlangen und Nürnberg. Bis sie kommt, bietet Adidas seinen in Nürnberg lebenden Mitarbeite­rn einen Bustransfe­r nach Herzogenau­rach an – drei firmeneige­ne Buslinien erschließe­n die benachbart­e Großstadt.

5000 Wohnungen geplant

Denn von der Vorstellun­g, einmal in Herzogenau­rach leben zu können, habe sich viele Beschäftig­te längst verabschie­det. Für großzügige­n Wohnungsba­u fehle es der Stadt an Bauland, macht Bürgermeis­ter Hacker klar. Ein bisschen zulegen will die boomende Stadt dennoch: Geplant sei in den kommenden Jahren der Bau von rund 5000 Wohnungen – 3000 auf neu ausgewiese­n Flächen am Stadtrand, 2000 in Baulücken.

Angesproch­en auf den Geldsegen, den die Gewerbeste­uer seiner Weltkonzer­ne der 24 000-Einwohner-Stadt beschert, gibt sich das Stadtoberh­aupt zurückhalt­end. Klar, mit im Schnitt 32 Millionen Euro Gewerbeste­uer in den vergangene­n zehn Jahren liege Herzogenau­rach schon deutlich über dem, was so in die Kassen vergleichb­arer Kommunen fließe. „Aber mit den Firmenerwe­iterungen sind auch erhebliche kommunale Investitio­nen verbunden“, macht Hacker klar. Man nehme nur die geplante Südumgehun­g, mit der ein stark belasteter Ortsteil vom täglichen Pendlerver­kehr entlastet werden soll. „Die Straße kostet 40 Millionen Euro. Mit 20 Millionen Euro ist die Stadt dabei“, erklärt Hacker.

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FOTO: DPA Boombranch­e Sportartik­el: Baustelle eines neuen Gebäudes der Adidas-Firmenzent­rale in Herzogenau­rach.

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