Autobauern laufen Dieselkäufer weg
VW-Privatverkäufe abgesackt – Neue Bundesumweltministerin macht in Sachen Nachrüstung Druck
BERLIN (dpa) - Abwrackprämien für ältere Dieselautos erweisen sich einer Studie zufolge als Bumerang für die Autoindustrie. Die „historisch einzigartige Prämiensause“habe die Flucht aus dem Diesel eher verstärkt, schreibt das CAR-Center der Universität Duisburg-Essen in seiner Rabattstudie für den Monat März. „Die Angst vor dem Diesel ist mit den Prämien gestiegen“, erklärte Studienleiter Ferdinand Dudenhöffer.
Derweil kommt anhaltender Druck von der neuen Bundesregierung in Berlin, mehr für saubere Luft in deutschen Innenstädten zu tun. Die neue Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, sie sei keine Freundin von Fahrverboten. „Dann wären die Verursacher des Problems, die Autohersteller, aus dem Schneider. Der politische Druck, die Autos sauberer zu machen, der muss bleiben.“
Neuwagen meist Benziner
Als Beleg für die wachsende Skepsis der deutschen Autofahrer führt Dudenhöffer den stark gesunkenen Anteil von Dieselfahrzeugen an, die der VW-Konzern noch an Privatkunden verkauft. Volkswagen habe besonders hohe Abwrackprämien für AltDiesel ausgelobt und diese in der Werbung auch stärker betont als andere Hersteller. Bei den Neuwagen griffen die Kunden dann meist zu Benzinern, sodass der Dieselanteil bei VW-Privatverkäufen von 33,5 Prozent im Januar 2015 auf 17,1 Prozent im Februar 2018 absackte. Im Gesamtmarkt sank der Dieselanteil bei Verkäufen an Privat von 33,4 auf 18,0 Prozent. „Dass VW nunmehr die Prämien an den Kauf eines neuen Dieselfahrzeugs koppelt, belegt die Wirkungslosigkeit der bisherigen Rabatte“, kommentierte Dudenhöffer. Volkswagen hatte am vergangenen Donnerstag seine Umweltprämie verlängert und gleichzeitig an den Kauf eines neuen Dieselautos nach Euro-6-Norm gekoppelt. Nach Einschätzung von Dudenhöffer sind kommunale Fahrverbote durch die massenhaften Abwrackaktionen aber nicht unwahrscheinlicher geworden.
Investitionen in Hardware-Nachrüstungen wären aus seiner Sicht sinnvoller gewesen, erklärte Dudenhöffer erneut. Mit zusätzlichen Katalysatoren könnten ältere Autos in saubere Diesel verwandelt und milliardenschwere Wertverluste des Gebrauchtwagenbestands aufgefangen werden. Die Hersteller wollen mit Software-Updates von Dieselfahrzeugen die Schadstoffe senken. Hardware-Nachrüstungen, also Umbauten direkt am Motor, lehnen sie als zu aufwendig und teuer ab. Auch Schulze sagte: „Es muss auch Hardware-Nachrüstungen geben. Auch der ADAC sagt, dass das sehr viel bringen wird. Dass wir etwas tun müssen, um die Luft sauberer zu machen, das bezweifelt keiner mehr.“
In vielen deutschen Städten ist die Luft höher als von der EU erlaubt mit Stickoxiden belastet, die in verkehrsreichen Gebieten zu einem großen Teil aus Dieselabgasen stammen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte Fahrverbote für Diesel generell für zulässig erklärt, dies müsse aber das letzte Mittel sein.
Aus Sicht des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) sind Fahrverbote in jeder Hinsicht falsch – gegenüber den Autofahrern, die sich nichts vorzuwerfen hätten, aber auch im Interesse des Vertrauens in den Staat. „Man darf auch nicht vergessen: Die meisten Menschen meinen, die Luft sei immer schlechter geworden, aber das Gegenteil ist richtig. Die Luftwerte sind über die Jahre stetig besser geworden“, sagte Weil. „Auch die blaue Plakette ist nur die freundliche Umschreibung für Fahrverbote – und ich bin gegen Fahrverbote.“
Schulze positioniert sich
Die Kommunen fordern eine Kennzeichnung wie die bundeseinheitliche Regelung mit einer blauen Plakette, um einen Flickenteppich verschiedener Verbote zu vermeiden. „Plaketten machen nur Sinn, wenn man Fahrverbote hat“, sagte Schulze. „Aber wenn wir jetzt nur über Fahrverbote reden, ändert sich technisch erst einmal nichts, die Autos werden nicht sauberer und fahren woanders weiter.“
Die neue Umweltministerin kritisierte die Autoindustrie scharf. „Viele Leute haben sich einen Diesel gekauft, weil sie dachten, er sei umweltfreundlicher. Teilweise ist massiv betrogen worden. Die Abgaswerte stehen meistens nur auf dem Papier, haben aber mit den realen Werten auf der Straße wenig zu tun. Die Industrie steht hier in der Verantwortung. Man kann sie nicht juristisch zwingen, das geben die Gesetze nicht her. Aber die Industrie hat eine Verantwortung, da jetzt nachzusteuern.“