Wo selbst die Götter applaudieren
Ein einziger Rausch – Darts-Zirkus residiert mit viel Party und großem Sport in München
MÜNCHEN - Super-Mario und sein Kumpel Luigi wollten sich an Ostern nicht nur mit Eiersuchen und familiärer Harmonie zufriedengeben. Spaß und Sport sollte es sein, allerdings kein Fußball – keine optimierte, gebügelte Werbefilmwelt. Wie gut, dass es eine Alternative gab: Die besten Dartsspieler der Welt legten auf ihrer ständig wachsenden PDCEurope-Tour einen kleinen Zwischenhalt in München ein. Und so standen die Brüder im Geiste in voller Montur nebeneinander, prosteten sich zu, sangen, umarmten Fremde und ließen ihre Blicke ins weite Rund der Zenith-Kulturhalle schweifen, immer mit einem Auge auf der Bühne, wo die Meister des Pfeilewerfens sich rasante Duelle und Verfolgungsjagden lieferten.
Für Außenstehende ist die Faszination des Dartssport vielleicht nicht immer nachzuvollziehen, doch inmitten der freudigen Jünger dieser Sportart kann und will sich beinahe niemand dem Fieber entziehen. 2800 trink- und begeisterungswillige Dartsfans waren an diesem Ostersonntag in eine herrlich schmucklose Halle gekommen, um dem Trendsport zu huldigen, der in immer größeren Wellen von der Insel aufs Festland herüberschwappt und jährlich zur Weihnachtszeit mit der Weltmeisterschaft neue EinschaltquotenRekorde generiert. Und während Weihnachten, Darts und London für viele schon seit Jahren zusammengehören, könnte das in Zukunft auch für das Osterfest, Darts und München zutreffen. Auf der einen Seite fromme Rituale, auf der anderen das genaue Gegenteil: Die Stimmung ist wie die im Bierzelt zur Wiesnzeit, nur kommt die Musik eben vom Band. Dirndl und Lederhosen sind auch eher unterrepräsentiert. Dafür sind eben Mario und Luigi da und unzählige andere kostümierte Menschen. Wolfgang Petry steht neben einer Banane am Pissoir, in der Schlange vor dem Essensstand stehen mehrere mannshohe Biergläser neben einem liebevoll dekorierten Duff-Man, selbst die griechischen Götter sind von ihrem Olymp herabgestiegen und verfolgen auf Bierbänken mehr oder weniger konzentriert, was die meist moppeligen Männer auf der Bühne da mit ihren Pfeilen anstellen. Und auch wenn es äußerlich nicht immer danach aussieht, ist es unbestritten Hochleistungs- und Präzisionssport.
Spitzensport vor feiernder Menge
Mit Max Hopp gibt es sogar einen deutschen Helden, was der allgemeinen Aufmerksamkeit zwar guttut, aber keine Grundvoraussetzung ist. Wer Darts liebt, kennt keine strenge Vorliebe für eine einzelne Nation. Was nicht heißt, dass es keine Buhrufe gäbe. Allgemein sind es die Typen dort auf der Bühne, die zumeist gar nicht nach dem aussehen, was sie sind, eher wie frisch von der Bierbank in den Fokus des Publikums gezerrt. Und jeder hat seine Fans – der Paradiesvogel Peter „Snakebite“ Wright mit seiner bunten Kleidung und dem markanten Irokesen, der Dominator Michael van Gerwen – nur echt in grünem Poloshirt, mit Glatze und dem Gesicht zur Faust geballt – oder der stille Weltmeister Rob Cross (siehe „Nachgefragt“). Sie alle prägen diesen Sport, dürfen als Helden aus dem Volk durch eben jenes wandeln, mit schönen Frauen und lauter Musik durch die Massen auf die Bühne schreiten.
Davor und auch überall anders fließt das Bier in rauen Mengen. Das Reich von Super-Mario ist an diesem Abend ein sehr angeheitertes. Die Stimmung sucht ihresgleichen – Ballermann mit Spitzensport. Als die besten Dartsspieler an der Reihe sind, hat sich jedoch bereits etwas Erschöpfung eingestellt – so ein Darts-Tag ist lang und kostet Kraft. Die künstlerischen Pausen des Publikums werden unterbrochen, wenn oben das Maximum mit den drei Pfeilen geworfen wird. 180! Hoch die Schilder!
Was diesen Abend so faszinierend macht? „Es ist ein einziger Rausch“, sagt ein zutraulicher junger Mann. Seine Aussage könnte wohl von jedem in der ausverkauften Halle stammen. Denn so oder so steht der wunderbar doppeldeutige Satz wie in Stein gemeißelt für das, was alle hier eint. Spaß haben, Sport gucken, Bier trinken – ein herrlicher Dreiklang.