So vermeiden Großeltern Konflikte in der Familie
Kindererziehung unterliegt Moden, ist Ansichtssache – und vor allem Sache der Eltern
Bei euch läuft aber schon recht häufig der Fernseher“– mit solchen Aussagen bringen Großmütter ihre Töchter auf die Palme. Denn oft genug hört die Tochter daraus einen Vorwurf und sieht den vielleicht nur neugierig gemeinten Satz als unzulässige Einmischung. Andererseits: Wenn die Oma die Enkel regelmäßig von der Schule abholt – hat sie dann nicht auch das Recht, an der Erziehung mitzuwirken? Und wie geht man damit um, wenn aus dieser Einmischung Konflikte entstehen?
Ungefähr ein Drittel der Großeltern ist an der Enkelbetreuung beteiligt. Das jedenfalls hat der jüngste Alterssurvey des Deutschen Zentrums für Altersfragen aus dem Jahr 2014 ergeben. Demnach ist der Anteil betreuender Großeltern im Vergleich zu den Jahren 2002 und 2008 erstmals wieder gestiegen. Die Autoren der Studie vermuten, dass die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen mit dazu beigetragen hat. Wenn beide Elternteile arbeiten gehen, werden die Großeltern wieder mehr gebraucht.
Eigentlich eine Win-win-Situation. Für die Enkel bedeutet die Zeit bei den Großeltern häufig eine willkommene Abwechslung. Die Eltern sind entlastet – und Oma und Opa profitieren auch. Das Gefühl gebraucht zu werden, ist gerade für älter werdende Menschen wichtig. Wären da bloß nicht die Konflikte, die zum Beispiel aus unterschiedlichen Vorstellungen etwa zum Thema Erziehung resultieren.
Kommunikation auf Augenhöhe
Dass sich die Großeltern Fragen wie die nach dem TV-Konsum ihrer Enkel stellen, sei erstmal ganz normal, erklärt Familientherapeut Björn-Enno Hermans. „Ansichten, Prinzipien und Methoden haben sich verändert.“Und so leuchtet der älteren Generation nicht auf den ersten Blick ein, warum die Eltern Fernsehen am Nachmittag erlauben – oder wieso ein Kind mit einem Jahr in die Krippe gehen soll.
Entscheidend dafür, dass aus unterschiedlichen Ansichten keine großen Konflikte entstehen, ist die Art, wie man miteinander redet. „Es muss eine Kommunikation auf Augenhöhe sein“, sagt Sozialpädagogin Sylvia Görnert, die mehrere Ratgeber für ältere Menschen geschrieben hat. „Das ist gar nicht so einfach, wenn aus Kindern Eltern werden.“Je früher sich Eltern und Kinder darum bemühen, die alten Muster hinter sich
ANZEIGE zu lassen, desto besser gelingt es, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.
Hermans plädiert dafür, überhaupt im Gespräch zu bleiben. Passiv-aggressive Äußerungen à la „Na wenn du meinst, dass das gut ist fürs Kind“seien kontraproduktiv. „So beginnt ein Konflikt unter der Oberfläche zu schwelen.“Schlimmstenfalls gerät am Ende das Kind in einen Loyalitätskonflikt. „Kinder kriegen das mit, die hören das sofort am Tonfall“, sagt Hermans.
Stört sich die Oma an etwas, spricht sie es deshalb besser ohne das Kind bei den Eltern an. Wie so oft gilt dabei: Besser Ich-Botschaften senden als Vorwürfe machen, rät Görnert. „Ich mache mir Sorgen, weil …“öffne eher Türen als die Feststellung „Du gehst viel zu viel arbeiten“. Im besten Fall einigen sich am Ende beide Seiten auf eine gemeinsame Lösung.
Im Hinterkopf behalten sollten Großeltern bei solchen Gesprächen auch, dass die Eltern letztlich am längeren Hebel sitzen. „Der Weg zum Herzen der Enkel führt über die Herzen der Kinder“, sagt Eckart Hammer, Gerontologe an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg. „Wenn Großeltern also versuchen, Konflikte mit Macht zu lösen, können sie eigentlich nur verlieren.“Er rät, im Zweifelsfall auch mal einen Kommentar herunterzuschlucken – und generell nicht zu weit vom Erziehungskonzept der Eltern abzuweichen.
Mit dem Herzen denken
Das heißt andererseits nicht, dass man alles ganz genauso machen muss. „Großeltern dürfen mit dem Herzen denken – sie müssen nicht permanent erziehen“, sagt Görnert. Diese Chance sollten sie unbedingt ergreifen, findet die Autorin. Bei Oma oder Opa darf es ruhig mal ein Stück Schokolade mehr sein. „Kinder verstehen sehr gut, dass dort andere Regeln gelten.“Um Missverständnissen vorzubeugen, helfe es aber, solche Abweichungen mit den Eltern abzusprechen.
Kommt es immer wieder zu Konfliktsituationen, liegt das Hermans zufolge eventuell auch an ganz anderen Dingen. „Manchmal sind das Stellvertreterkonflikte“, sagt er. Gibt es etwa ein ganz grundsätzliches Problem zwischen der Oma und ihrer Tochter, kann die Enkelbetreuung zu einer Art Katalysator für den Streit werden.
Eckart Hammer, der ein Buch über die Rolle des Großvaters geschrieben hat, sieht hier eine Chance für den Opa: „Diese Konflikte gibt es häufig zwischen Großmüttern und den Eltern. Da kann der Großvater ein Moderator oder Mediator sein“, sagt er. In manchen Fällen ist aber auch der Großvater – als Partner oder Ex-Partner der Großmutter und Vater eines Elternteils – zu nah dran. Dann rät Hermans, sich professionell beraten zu lassen.
„Die Perspektive eines Außenstehenden kann hilfreich sein“, ist seine Erfahrung. Beispielsweise stelle sich im Konflikt um die Erwerbstätigkeit der Mutter manchmal heraus, dass die jetzige Oma selbst gern arbeiten gegangen wäre – zu ihrer Zeit aber nicht konnte. „Solche Erkenntnisse weichen den Konflikt mitunter ganz schnell auf.“
Letztlich – da sind sich Experten einig – gilt es, den Blick auf das Wohl der Enkel zu richten. Sie können sich nur entfalten, wenn Eltern und Großeltern an einem Strang ziehen.