Lindauer Zeitung

Tierschütz­er streiten mit Landwirten

Ab 2019 müssen Ferkel bei der Kastration betäubt werden – Minister fürchtet um Betriebe

- Von Katja Korf

STUTTGART - Wie viel Schmerzen dürfen Ferkel erleiden, die von ihren Züchtern kastriert werden? Um diese Frage ist eine Debatte zwischen Landwirten, Tierschütz­ern und Politikern entbrannt. Die bayerische Agrarminis­terin Michaela Kaniber (CSU) und ihr baden-württember­gischer Amtskolleg­e Peter Hauk (CDU) fürchten um die Zukunft von Züchtern. Tierschütz­er dagegen mahnen zur Eile. „Es ist seit Jahren bekannt, dass das Gesetz 2019 in Kraft tritt. Doch statt sich vorzuberei­ten, hat man nur nach Lösungen für die Landwirte gesucht. Dabei ging es leider nicht vorrangig um die Verbesseru­ng des Tierschutz­es“, moniert die Landestier­schutzbeau­ftragte Julia Stubenbord.

Schweinezü­chter kastrieren männliche Ferkel wenige Tage nach deren Geburt. Sobald die Tiere bestimmte Hormone produziere­n, kann ihr Fleisch stinken, es ist dann nahezu unverkäufl­ich. Ab dem 1. Januar 2019 soll in Deutschlan­d ein Gesetz in Kraft treten, das die gängige Praxis verbietet. Dabei werden den Tieren die Hoden vom Züchter ohne Betäubung entfernt. Die Prozedur dauert wenige Sekunden.

Zähes Ringen um Lösungen

Die neue Vorschrift wurde bereits 2013 verabschie­det. Doch bis heute bietet sich aus Sicht der Landwirte noch immer kein praktikabl­er Weg an, um diese umzusetzen. Deshalb debattiert­en die Agrarminis­ter der 16 Bundesländ­er Ende vergangene­r Woche bei ihrer Konferenz in Münster darüber. Zur Sprache kam dort auch der sogenannte vierte Weg. Bei diesem werden die Tiere örtlich betäubt.

Der Bayerische Bauernverb­and wirbt für diese Alternativ­e zur Vollnarkos­e – ebenso wie CSU-Agrarminis­terin Kaniber. „Gerade für kleinere Ferkelerze­ugerbetrie­be wäre das eine praktikabl­e und tierschutz­gerechte Lösung“, betont die Ministerin. Auch Andreas Randt, tierärztli­cher Leiter beim Tiergesund­heitsdiens­t Bayern, unterstütz­t diesen Weg. „Aus tierärztli­cher Sicht könnte mit einer örtlichen Betäubung ein deutlicher Vorteil in Sachen Tierschutz verbunden sein – auch und gerade im Vergleich zu einer Vollnarkos­e“, wird Randt in einer Mitteilung des Bauernverb­andes zitiert.

Schmerzlos­igkeit ist Muss

Tierschütz­er lehnen die Kastration unter Lokalbetäu­bung dagegen ab. „Eine Methodik, die den Anspruch nach Schmerzaus­schaltung bei der Kastration nicht erfüllt und die Tiere zusätzlich belastet, kann und darf keine Alternativ­e sein“, betont Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutz­bundes. Aus seiner Sicht dürfen ab Januar nur Methoden angewandt werden, bei denen die Ferkel keinerlei Schmerz verspüren. Er fordert, am Verbot der betäubungs­losen Ferkelkast­ration ab 2019 unveränder­t festzuhalt­en.

Als Alternativ­e existieren drei weitere Methoden. Erstens könnte man auf die Kastration verzichten. Doch die Haltung geschlecht­sreifer Eber ist aufwendig und aus Tierschutz­gründen schwierig. Die Tiere gehen aufeinande­r los – was gerade kleine Züchter vor möglicherw­eise existenzie­lle Probleme stellen würde. 90 Prozent der Betriebe in Süddeutsch­land haben weniger als 250 Tiere im Stall, so der Bayerische Bauernverb­and.

Zweitens kann ein Medikament verhindern, dass die Ferkel bestimmte Hormone produziere­n. Damit stinkt deren Fleisch später nicht. Doch ob Verbrauche­r ein so behandelte­s Fleisch kaufen, ist unklar. Außerdem kostet die Impfung sechs Euro pro Tier.

13 Millionen Euro Mehrkosten

Drittens bleibt die Narkose der Ferkel durch einen Tierarzt. Die derzeit zugelassen­en Mittel führen aber dazu, dass die Jungtiere lange schlafen – Züchter fürchten, viele Ferkel könnten dadurch Schäden davontrage­n oder gar sterben. Das Verfahren sei ohnehin zu teuer und aufwendig. Die Bauernverb­ände rechnen mit Mehrkosten von 13 Millionen Euro in ganz Süddeutsch­land. Die süddeutsch­en Agrarminis­ter springen den Bauern bei. „Wenn am Ende nur eine Vollnarkos­e durch den Tierarzt zulässig ist, bedeutet es das Aus für die Ferkelmast in Deutschlan­d. Damit würden wir die Verantwort­ung abschieben. Denn wir müssten künftig Ferkel aus anderen EU-Staaten importiere­n, die sich nicht an die strengen deutschen Vorgaben zum Tierschutz halten“, mahnt der badenwürtt­embergisch­e Ressortche­f Hauk – eine Warnung, die seine bayerische Amtskolleg­in Kaniber unterstütz­t: „Wir müssen all unseren Ferkelerze­ugern den Rücken stärken, damit sie auch in Zukunft dem europäisch­en Wettbewerb standhalte­n können.“

Hauk sieht den Knackpunkt in der juristisch­en Bewertung der Gesetzesvo­rlage. Reicht es, den Schmerz angemessen zu lindern oder muss er völlig gestillt werden? „Ich erwarte, dass der Bund jetzt klar sagt, was er will“, fordert er. Nur im ersten Fall wäre eine lokale Betäubung der Ferkel ausreichen­d. Zu der Frage gibt es ein Gutachten. In Auftrag gegeben haben es die Bauernverb­ände in Bayern und Baden-Württember­g. Die Juristen kommen zu dem Schluss: Auch eine lokale Betäubung würde den Anforderun­gen des neuen Gesetzes entspreche­n. Das sieht die baden-württember­gische Tierschutz­beauftragt­e Julia Stubenbord anders: „Das Rechtsguta­chten ist lediglich eine juristisch­e Meinung, die den Auftraggeb­ern des Gutachtens sehr zupass kommt. Ich halte es für fragwürdig.“

 ?? FOTO: DPA ?? Daran, wie in Zukunft die Kastration männlicher Ferkel gemacht werden soll, scheiden sich die Geister.
FOTO: DPA Daran, wie in Zukunft die Kastration männlicher Ferkel gemacht werden soll, scheiden sich die Geister.

Newspapers in German

Newspapers from Germany