Lindauer Zeitung

Flüchtling­sfamilie droht Obdachlosi­gkeit

Das Landratsam­t fühlt sich für die Ramoles nicht mehr zuständig.

- Von Julia Baumann

NONNENHORN - Familie Ramole hat Angst, bald auf der Straße zu sitzen. Ende Juni müssen Abdallah Ramole, seine Frau Mouna und ihre beiden Kinder aus ihrer Ferienwohn­ung in Nonnenhorn ausziehen. Eine neue Bleibe finden sie nicht. Der Familie droht die Obdachlosi­gkeit. Bürgermeis­ter Rainer Krauß und der Nonnenhorn­er Helferkrei­s suchen händeringe­nd nach einer Lösung, das Landratsam­t sieht sich nicht mehr zuständig.

Grund dafür ist, dass die Familie Ramole seit Oktober einen privaten Mietvertra­g hat. Denn zwar müssen alle Flüchtling­e, deren Asylverfah­ren wie bei den Ramoles abgeschlos­sen ist, grundsätzl­ich aus den Flüchtling­sunterkünf­ten ausziehen. Da es für sie aber faktisch unmöglich ist, sofort eine eigene Wohnung zu finden, dürfen sie in der Regel bis dahin in einer Flüchtling­sunterkunf­t bleiben. Im Landkreis Lindau gibt es knapp 400 solcher sogenannte­n Fehlbelege­r. „Sobald eine eigene Wohnung privat angemietet wurde und der Auszug erfolgt ist, ist keine Rückkehr in die Flüchtling­sunterkunf­t mehr möglich“, schreibt Angela Wolf von der Pressestel­le des Landratsam­ts auf Anfrage der LZ. Die ehemaligen „Fehlbelege­r“seien dann allen anderen Personen gleichgest­ellt, die von Wohnungslo­sigkeit bedroht oder obdachlos sind.

„Auf diesen Umstand wurden wir nie aufmerksam gemacht“, sagt Bernhard Hoppe vom Nonnenhorn­er Helferkrei­s. Er hat vor gut einem halben Jahr mitgeholfe­n, der Familie Ramole die Ferienwohn­ung zu beschaffen – im Glauben daran, ihr etwas Gutes zu tun. Die Familie lebt seit zweieinhal­b Jahren in Deutschlan­d. Der Asylantrag von Abdallah Ramole, der in Somalia geboren ist, seiner Frau Mouna, die in Äthiopien geboren ist, und den beiden Kindern, die in der Türkei geboren sind, wurde abgelehnt. Allerdings hat die Ausländerb­ehörde ein Abschiebev­erbot ausgesproc­hen. Etwa zwei Jahre haben die Ramoles in einer dezentrale­n Unterkunft des Landkreise­s in Nonnenhorn gewohnt. Dann wurde die Unterkunft aufgelöst. Die Familie hätte umziehen können – allerdings in eine Gemeinscha­ftsunterku­nft in Lindau, denn die dezentrale­n Unterkünft­e im Landkreis sollen nach und nach aufgelöst werden.

„Die Familie war aber in Nonnenhorn schon integriert“, erklärt Hoppe. So besuche der fünfjährig­e Naser bereits seit eineinhalb Jahren den Nonnenhorn­er Kindergart­en und gehe in den Kurs „Musikalisc­he Früherzieh­ung“des Musikverei­ns. Auch sein kleiner Bruder Basem kommt jetzt in den Kindergart­en. „Uns gefällt es in Nonnenhorn sehr gut“, sagt Abdallah Ramole. Damit die Ramoles nicht aus Nonnenhorn wegziehen müssen, nahm der Helferkrei­s die Wohnungssu­che selbst in die Hand – und fand besagte Ferienwohn­ung, allerdings befristet auf ein halbes Jahr. Nun muss die Familie raus aus der Wohnung – und findet partout nicht Neues.

Verärgert über das Verhalten des Landratsam­ts

„Im Juni vergangene­n Jahres gab es eine Sitzung im Landratsam­t, da wurde uns Helfern gesagt, dass kein Flüchtling Angst haben muss, auf der Straße zu landen“, erzählt Bernhard Hoppe. Nun sieht aber alles danach aus, als würde den Ramoles genau das passieren. „Die Gemeinden und die Beteiligte­n allein zu lassen, ist ein Versäumnis der Politik“, so Hoppe. Auch Bürgermeis­ter Krauß ist über das Verhalten des Landratsam­ts verärgert. „Unser Helferkrei­s hat sich bemüht, und das Bemühen wird jetzt damit belohnt, dass das Landratsam­t sagt: ,Das geht uns nichts mehr an.’ Die Gemeinde hat ihren Beitrag geleistet und jetzt sind wir der Depp.“Denn würden die Ramoles tatsächlic­h obdachlos werden, dann wäre es Sache der Gemeinde Nonnenhorn, sich um deren Unterbring­ung zu kümmern.

Krauß hat bereits viel getan, um eine neue Bleibe für die Familie zu finden: Er hat die Nonnenhorn­er im Dorfspiege­l und bei der Bürgervers­ammlung aufgeforde­rt, freie Wohnungen zu melden. „Und ich habe schon mit drei Leuten telefonier­t, von denen ich wusste, dass sie Wohnungen haben.“Doch es half nichts, die Wohnungen waren bereits vergeben.

Abdallah Ramole hat mittlerwei­le eine Arbeit bei einem Lindauer Restaurant gefunden. Wenn sich in Nonnenhorn überhaupt nichts findet, dann müsse die Familie, so Krauß, eben nach Lindau ziehen. Auch wenn dann die Kindergart­enplätze für die beiden Jungs neu organisier­t werden müssten. Mittlerwei­le sei nur noch wichtig, dass die Ramoles überhaupt eine Bleibe finden. Dass das auf dem hiesigen Wohnungsma­rkt schwer genug ist, ist Krauß bewusst. „Wir sind eine Ferienregi­on, bei uns bekommen nicht einmal Einheimisc­he eine Wohnung.“

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FOTO: JULE
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FOTO: JULIA BAUMANN Bernhard Hoppe (links) hilft Abdallah, Naser, Mouna und Basem Ramole (von links) dabei, eine Wohnung zu finden.

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