Abtanzen im Museum
Vitra Design Museum beleuchtet mit „Night Fever. Design und Clubkultur 1960 – heute“das Phänomen Nachtclub
WEIL AM RHEIN - Wenn eine Erscheinung erst einmal museumswürdig geworden ist – hat sie dann bereits ihren Zenit überschritten? Befindet sie sich womöglich schon auf dem Abstieg? Im Falle von Nightclub und Clubkultur ist die Frage nicht leicht zu beantworten. Nightclubs sind heute ein quicklebendiges globales Phänomen. Und doch existieren bereits erste Anzeichen ihres schleichenden Niedergangs. Nicht nur in Großbritannien oder den Niederlanden war die Zahl der Clubs in den letzten Jahren stark rückläufig. Durch Gentrifizierung werden Nachtclubs zunehmend aus den Zentren an den Rand der Städte gedrängt. Im gleichen Maß, wie bei jungen Menschen der Konsum von Ecstasy und Alkohol abnimmt, gewinnt die Wellness- und Fitnesswelle Auftrieb. Bis hin zu nächtlichen Lauftreffs oder Frühstücks-Raves.
Glänzend konzipiert
Erstaunlich eigentlich, dass die Clubkultur für ihre musealen Weihen mehr als ein halbes Jahrhundert gebraucht hat; andere Phänomene der Populärkultur waren da schneller. Vielleicht liegt es an der Komplexität und der wechselvollen Geschichte der Clubkultur. Jedenfalls ist die Ausstellung „Nigth Fever. Design und Clubkultur 1960 – heute“im Vitra Design Museum in Weil am Rhein, wenngleich es Vorläufer gibt, die erste umfassende Schau zur Designund Kulturgeschichte des Nachtclubs – glänzend konzipiert und umgesetzt von Kurator Jochen Eisenbrand und anschaulich begleitet von einem informativen Katalog.
Über die reine Wissensvermittlung hinaus beschreitet „Night Fever“neue Wege. Den chronologisch strukturierten Parcours betritt der Besucher wie manchen Nachtclub durch einen Tunnel. Clubatmosphäre schaffen Strahler und Projektoren, Synthesizer und Diskokugeln und ein veritabler Dancefloor. Den Erlebnisfaktor erhöht noch eine Soundinstallation, in der der Besucher wie in einer Diskothek in die Klänge verschiedener Musikstile eintauchen kann. Der tanzende Ausstellungsbesucher – ein durchaus neues Phänomen. Geboten werden zudem Möbel, architektonische Modelle und Mode, Fotografien, Filme und Grafiken rund um die Geschichte des Nightclubs. Eine Galerie von Plattencovern nicht zu vergessen.
Als eine Art modernes Gesamtkunstwerk und urbanes Versuchsfeld für neue Lebens- und Umgangsformen war der Nachtclub seit seinen Anfängen in den frühen Sechzigerjahren eng mit Design verwoben. Möbeldesign und Innenarchitektur leisteten wesentliche Beiträge zu den „Total environments“, die mittels Musik, Licht- und Filmprojektionen ganzheitliche Raumerlebnisse ermöglichten. So wie der Nightclub als urbanes Phänomen städtischer Freiräume bedurfte, schuf er zugleich welche. Nicht zufällig nisteten sich Nachtclubs häufig in ehemaligen Theatern und Kinos ein – schon architektonisch die perfekte Bühne für Individualisten und Selbstdarsteller als Klientel der Clubs. Mit der Disco-Welle der Siebzigerjahre wurde die Subkultur der Nightclubs und Diskotheken zur Massenkultur und der Underground zum Mainstream. Der DJ als umjubelter Star und Herr der Klänge ist ein Kind dieser Zeit. I hren Höhepunkt und mithin den Kulminationspunkt der Kommerzialisierung des Clubbings erreichte diese Entwicklung mit dem 1977 in die Kinos gelangenden Kassenschlager „Saturday Night Fever“. Der Soundtrack zu dem Film der Bee Gees ist die meistverkaufte Filmmusik aller Zeiten. Im selben Jahr eröffnete in New York der legendäre Club 54, der Andy Warhol zu seinen Stammgästen zählte.
Das kreative Potenzial der Clubkultur bezeugt sich in Musikstilen wie House und Techno, der aus der Clubszene selbst heraus entstandenen Musik der internationalen Clubkultur der Neunziger- und Nullerjahre. Mit Veranstaltungsformen wie Performances und Ausstellungen waren Clubs zudem nicht selten Plattformen für Künstler. Spätere Stars wie Keith Haring oder JeanMichel Basquiat verdankten der Clubszene ihren Aufst ieg.
Neue Konzepte
Seit den rückläufigen Tendenzen der letzten zehn, fünfzehn Jahre erprobt man in der Szene neue Konzepte. Dazu zählen etwa mobile Soundsysteme, kurzlebige Pop-up-Clubs oder architektonische Mischkonzepte wie die Verbindung von Clubs mit anderen Nutzungsformen, etwa einem Fitnessstudio. Der Architekturentwurf von Rem Koolhaas’ Office für Metropolitan Architecture in Rotterdam sah für die Neusituierung des legendären Londoner Ministry of Sound vor einigen Jahren eine Mischbebauung in der Verbindung mit Büros, einem Radiosender und einem Spa vor. Selbst bei einem der berühmtesten Nachtclubs der Welt, so scheint es, ist die Rentabilität mittlerweile nicht mehr fraglos gegeben.