Bamf weist Vorwürfe in Asyl-Affäre zurück
Prüfung in weiteren Außenstellen des Flüchtlingsamts – FDP und AfD fordern Untersuchung
BERLIN(dpa) - In der Affäre um unzulässig ausgestellte Asylbescheide weist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf ) Vorwürfe zurück, die Aufklärung verschleppt oder etwas vertuscht zu haben. Zuletzt waren E-Mails bekannt geworden, in denen ein Bamf-Gruppenleiter darum gebeten hatte, den Vorfällen „geräuschlos“nachzugehen und nicht alles „bis ins Detail“zu prüfen.
Das Bamf erklärte dazu, Ziel sei es gewesen, „die Verfahren zunächst intern zu sichten“. Eine Prüfung der Hinweise sei „unverzüglich eingeleitet“und die Personalabteilung „unverzüglich informiert“worden.
Im Zentrum der Affäre steht die Außenstelle in Bremen. Dort sollen Mitarbeiter rund 1200 Menschen Asyl gewährt haben, ohne die Voraussetzungen ausreichend zu prüfen. Inzwischen überprüft das Bamf aber auch zehn andere Außenstellen, die über- oder unterdurchschnittlich oft Schutz gewährt haben.
Angesichts immer neuer Details in der Affäre pochen die FDP und die AfD im Bundestag auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Dafür müsste ein Viertel der Abgeordneten stimmen, neben AfD und FDP bräuchte es eine dritte Fraktion. Die Grünen sind skeptisch: „Bis ein Untersuchungsausschuss Ergebnisse bringt, dauert es mindestens zwei Jahre“, sagte die flüchtlingspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, Luise Amtsberg. Die Linksfraktion hielt sich eine Zustimmung noch offen.
Die SPD-Bundestagsfraktion fordert ein hartes Durchgreifen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Bamf. Ein Untersuchungsausschuss sei dafür aber der falsche Weg. Seehofer hatte sich dagegen offen für einen Untersuchungsausschuss gezeigt. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, bekräftigte dies am Montag. Zugleich warb der CDU-Politiker dafür, „nicht alles schlecht“zu reden im Bamf. Das Amt habe eine enorme Arbeitsbelastung gehabt. 2017 seien in Deutschland 524 000 Asylentscheidungen getroffen worden, in allen 27 anderen EUStaaten seien es dagegen nur 449 000 gewesen, sagte Middelberg.
In der Bamf-Zentrale waren die Unregelmäßigkeiten schon Anfang 2016 bekannt. Im Januar habe es einen anonymen Hinweis beim Ombudsmann des Innenministeriums gegeben, sagte Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) nach dpa-Informationen in einer Sitzung des Innenausschusses.
BERLIN - „Geräuschlos“und nicht „bis ins Detail“: Diese Anweisung eines Abteilungsleiters des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zum hausinternen Umgang mit falschen Asylbescheiden der Bremer Außenstelle stammt aus dem Februar 2017. Am Wochenende wurde das Schreiben bekannt. Darin findet sich keine Spur von offensiver Aufklärung der fragwürdigen Vorgänge um die damalige Außenstellenleiterin B. Vielmehr entsteht der Eindruck, die mehr als 1000 Betrugsfälle sollten unter den Teppich gekehrt werden. Über die internen Mails hatten „Spiegel Online“, „Süddeutsche Zeitung“und NDR berichtet.
Nachdem das Land Niedersachsen schon Alarm geschlagen hatte, will der Mitarbeiter aus Nürnberg den Deckel auf dem Skandal halten, damit es kein „Politgetöse“gebe. Erstmal „vorsichtig nachbohren“, so die Devise. Den Experten ist klar, sollte die „Causa B.“an die Öffentlichkeit gelangen, „würde dies ein schlechtes Bild auf das Bundesamt werfen“.
Schallende Ohrfeige
Tatsächlich wurden die Betrügereien mehr als ein Jahr lang „geräuschlos“behandelt. Das Vertrauen der Bürger in das Flüchtlingsamt schwindet. Das ist eine schallende Ohrfeige für Behördenleiterin Jutta Cordt, aber auch für den verantwortlichen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Cordt hat nach Angaben eines Sprechers die E-Mail des Abteilungsleiters vom Februar 2017 nicht zu Gesicht bekommen. Verzögerung? Keineswegs, die Prüfung der damaligen Hinweise sei „unverzüglich“erfolgt, betont der Sprecher. Und alle Fake-Bescheide seien längst aufgehoben worden.
AfD und FDP reichen die Auskünfte nicht, für sie sind die neuen Medienenthüllungen eine Steilvorlage für die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss im Bundestag. Das „Politgetöse“, das das Bamf verhindern wollte, lässt sich nun nicht mehr einfangen. Jede neue Meldung – auch diejenige über ungewöhnlich hohe Anerkennungsquoten in rund zehn weiteren BamfAußenstellen – setzen Seehofer und Cordt weiter unter Druck.
Der Innenminister bleibt dabei, erst am 19. April von dem Skandal informiert worden zu sein. Ob das stimmt, will nun auch der Koalitionspartner SPD ganz genau wissen. „Ich bin sicher, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer die Vorgänge zügig und umfassend aufklären wird“, sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Montag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
„Dazu gehört auch, offenzulegen, wann er welche Informationen erhalten hat und wie er den Hinweisen nachgegangenen ist.“Notwendig sei „absolute Klarheit darüber, wie es zu dieser Situation kommen konnte“. Und weiter: „Das massenweise Ausstellen falscher Asylbescheide ist absolut nicht hinnehmbar. Jetzt müssen wirklich alle Fakten auf den Tisch, und zwar schnell.“Am Montagabend kündigte der CSU-Chef mögliche personelle Konsequenzen an. Er werde alles tun, „damit die Dinge ohne Ansehen von Personen oder Institutionen aufgeklärt werden, denn sie haben das Vertrauen in das Bamf beschädigt“, sagte Seehofer der „Mittelbayerischen Zeitung“.
Zuvor hatte es bereits Diskussionen über die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses gegeben, ein Viertel der Abgeordneten müsste dafür stimmen, neben AfD und FDP bräuchte es eine dritte Fraktion. Auch die Grünen verlieren die Geduld, sehen einen Untersuchungsausschuss aber mit Skepsis. „Proaktiv“müsse der zuständige Minister jetzt mit den Abgeordneten zusammenarbeiten und Ende Mai in einer Sondersitzung des Innenausschusses Tacheles reden, verlangt deren flüchtlingspolitische Sprecherin Luise Amtsberg am Montag.
Ein Untersuchungsausschuss wäre aus ihrer Sicht aber nicht das richtige Instrument. Bis dieser Ergebnisse bringe, „dauert es mindestens zwei Jahre“, so die Grünen-Asylexpertin. Aber das Bamf müsse „jetzt in die Lage versetzt werden, Asylverfahren rechtsstaatlich zu organisieren“.