Radchenkos Erben dürfen wiederkommen
Zenit St. Petersburg wird nach feinem Auftritt Zweiter beim Ostracher U17-Pfingstturnier
OSTRACH - Daniil Shamkin ist 15 – Jahrgang 2002, Geburtstag am 22. Juni. Fünf Wochen ist es her, da debütierte Daniil Shamkin in Zenit St. Petersburgs U19, eingewechselt beim 3:0 über Anzhi Makhachkala zur zweiten Halbzeit. Ob er aufgeregt gewesen sei, fragten sie ihn danach. „Am Anfang ja. Aber dann sagte ich mir, dass der Platz der gleiche ist, der Ball der gleiche ist, und ich wurde schnell ruhiger.“
Auch in Ostrachs Buchbühlstadion ist der Rasen grün, das Spielfeld rechteckig und ein Fußball ein Fußball – ein (allerdings arg simpler) Erklärungsansatz für den feinen Auftritt von Daniil Shamkin und Mannschaftskollegen beim Yokohama-Cup 2018. Erstmals richtete der FC Ostrach sein traditionelles Pfingstturnier für U17-Mannschaften aus, erstmals gehörte Zenit St. Petersburg zu den acht geladenen Teams. 1900 Kilometer Luftlinie liegen zwischen der russischen Fünf-Millionen-Stadt und der Gemeinde im Landkreis Sigmaringen, die Anreise hatten sich die Jungs um Kapitän und Mittelfeld-Taktgeber Daniil Kniazev beim 0:1 im ersten Gruppenduell mit Sparta Prag aus den Knochen geschüttelt. Ein 1:0 über Viktoria Pilsen folgte, und als es ans Bilanzieren von Turniertag eins ging, klang Dmitry Radchenko aus dem Stab von Cheftrainer Aleksandr Selenkov versöhnt: „Beide Spiele waren offen, wir hätten auch beide gewinnen können.“
Die Halbfinalteilnahme sicherte anderntags ein 2:1 über Eintracht Frankfurts Pokalsieger-Nachwuchs, zweimal traf Zenits Nummer 9, Arsenii Rakcheev. Spätestens jetzt strahlte Dmitry Radchenko. Verständlich, ist der 47-Jährige an Zenits Jugend-Akademie doch für die Arbeit mit den Angreifern verantwortlich.
Mit einiger Expertise: Dmitry Radchenko hat das Fußballspielen einst in St. Petersburg gelernt, stürmte 1989 und 1990 für Zenit, um dann nach dreijähriger – erfolgreicher – Station bei Spartak Moskau in Spanien seine Tore zu schießen: Racing Santander, Deportivo La Coruña, Rayo Vallecano, Mérida UD, SD Compostela sind nicht die schlechtesten Adressen, 83 Treffer in 330 Karriere-Pflichtspielen eine veritable Ausbeute. Der Tag des Dmitry Radchenko schlechthin übrigens war der 20. März 1991. Das 1:1 und das 2:1 erzielte er da zum Moskauer 3:1-Auswärtscoup bei Real Madrid im Europapokal der Landesmeister! Im Viertelfinale! Das Hinspiel hatte 0:0 geendet, gecoacht wurden die Madrilenen von Alfredo di Stefano. Bei der WM 1994 spielte (und traf) Dmitry Radchenko für Russland, 35 Länderspiele (neun Tore) stehen in seiner Vita.
Von der Arbeit mit den Jugendlichen erzählt er mit spürbarer Freude. Rund 250 Nachwuchsfußballer bildet die Zenit-Akademie aus, die jüngsten sind 13, 14 Jahre alt. Ein Internat und die Kooperation mit einer Schule am Ort machen vieles möglich, die Talentsichtung rund um St. Petersburg („schon einige Kilometer weit!“) ist durch ein engmaschiges Netz von Partnervereinen gewährt.
Auch in Sachen Fairness weit vorne
Aleksandr Selenkovs U17 trainiert fünfmal pro Woche, dazu kommt im Normalfall ein Spiel. Gefordert sind die Spieler des Jahrgangs 2001 in Vergleichen mit den Gleichaltrigen anderer Akademien, da geht es schon einmal gegen Rubin Kazan, gegen FK Ufa, gegen die Moskowiter Clubs sowieso.
In Ostrach ging es gegen den 1. FC Heidenheim – Halbfinale gegen den Süd-Bundesligisten. Spät kassierte Zenit das 1:1; das Elfmeterschießen lieferte den Beweis, dass man sich in St. Petersburg auch auf die TorhüterAusbildung versteht. Maksim Semenov hat – wie Daniil Kniazev, wie Daniil Shamkin – sein Können bereits in Russlands U-Auswahlteams gezeigt, jetzt hielt er entscheidend. Und enthusiastisch bejubelt. Die Geschichte des Finales allerdings schrieb am Pfingstmontagnachmittag ein anderer: Bristol Citys technisch bemerkenswert beschlagener Antoine Semenyo überwand Maksim Semenov per Hackentrick, 0:1, Zenit wurde Zweiter. Gewann viele Sympathien und – mit nicht einer Gelben Karte – den Fairplay-Preis. Darf, als Finalist, 2019 wiederkommen ins Buchbühlstadion. Wird wiederkommen. Mit veränderter Mannschaft allerdings. Acht Spieler, sagt Dmitry Radchenko, wechselten in die U19, etwa zwölf rückten aus der U16 nach. Den Einzelnen, nicht das Team zu verbessern, hat sich Zenits Akademie zum obersten Ausbildungsprinzip gemacht. Das tun sie offenbar gut 1900 Kilometer von Ostrach entfernt. So gut, dass man den einen oder anderen mittelfristig in Zenits 1. Mannschaft sehen wird? „Zwei, drei Jungs haben die Chance.“Dmitry Radchenko lächelt. Wissend.