Ein bisschen Frieden
Die Regierungschefs in Paris und Rom versöhnen sich – im Hintergrund brodelt es weiter
PARIS - Emmanuel Macron und Giuseppe Conte scheinen die diplomatische Krise zwischen ihren Ländern überwunden zu haben. Zwischen den Zeilen herrscht allerdings Uneinigkeit. Nach außen hin scheint der Streit zwischen Frankreich und Italien um das Flüchtlingsschiff Aquarius beigelegt. Der französische Präsident Macron bemühte sich am Freitag sichtlich um einen freundlichen Ton gegenüber dem italienischen Regierungschef Conte. „Ich liebe Italien“, versicherte er bei der gemeinsamen Pressekonferenz.
Conte sagte, er habe eine „perfekte Verständigung“mit seinem „Freund Emmanuel“. Der hatte während des Mittagessens, das eine gute Stunde länger dauerte als vorgesehen, offensichtlich versucht, den Ministerpräsidenten in der heiklen Flüchtlingsfrage auf eine europäische Lösung einzuschwören. „Die richtige Antwort ist europäisch“, sagte Macron.
Der Staatschef nannte gleich zu Beginn Zahlen, die aus dem Konflikt die Luft nehmen sollten. Danach kamen im ersten Halbjahr 74 Prozent weniger Menschen aus Nordafrika nach Italien. Frankreich habe in den ersten Monaten 26 000 Asylanträge verzeichnet – mehr als Italien. „Frankreich hat genauso wie Italien die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen.“
Die Visite stand auf der Kippe
Der italienische Ministerpräsident war trotz der Kritik aus Frankreich an seiner Flüchtlingspolitik zu seinem ersten Besuch nach Paris gekommen. Die Visite stand auf der Kippe, nachdem der französische Präsident Rom „eine Form des Zynismus und eine gewisse Unverantwortlichkeit“vorgeworfen hatte. Conte entgegnete, Italien nehme keine „scheinheiligen Lektionen“aus Frankreich an. Auf seine Äußerung angesprochen, erklärte der Ministerpräsident am Freitag den Schlagabtausch für beendet.
Zwischen den Zeilen deutete Conte allerdings Unterschiede zur französischen Position an. So wolle sein Land einen eigenen Vorschlag zur Änderung des Asylrechts einbringen. Eine Maßnahme enthüllte Conte bereits: Die EU solle in den Herkunftsländern Zentren für Asylbewerber einrichten. „Wir müssen das Konzept der europäischen Grenzen stärken“, forderte er. Solche Zentren fordert aber auch Macron.
Auf die Frage, wer denn in der Flüchtlingspolitik in Rom das Sagen habe, antwortete Macron anstelle des Italieners mit deutlichen Worten, die er wohl auch an Bundesinnenminister Horst Seehofer richtete. „Italien hat einen Regierungschef und Deutschland auch. Wenn die Länder sich einigen, dann geschieht das auf dieser Ebene.“Kritisch äußerte sich Macron zum Begriff einer „Achse der Willigen“in der Migrationspolitik. „Sie sprechen von einer Achse. Ich hüte mich vor solchen Formeln, die uns in der Geschichte niemals Glück gebracht haben“, sagte er auf die Frage eines Journalisten. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hatte zum Kampf gegen illegale Migration nach Europa am Mittwoch eine „Achse der Willigen“vorgeschlagen, für die er im deutschen Innenminister Horst Seehofer (CSU) einen wichtigen Partner sehe.
Salvini verhindert Ministertreffen
Zur Achse gehören sollte auch der italienische Innenminister Matteo Salvini von der ultrarechten Lega Nord. Auf Druck von Salvini, einem Verbündeten der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen, soll Wirtschaftsminister Giovanni Tria am Mittwoch in letzter Minute seine Begegnung mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire annulliert haben.
Salvini hatte auch die Aquarius abgewiesen, die von der französischen Hilfsorganisation SOS Mediterranée gechartert wurde. Das Schiff mit 629 Menschen an Bord ist nun nach Spanien unterwegs.