Lindauer Zeitung

Augsburg: Warten auf KZ-Gedenkstät­te

Nach Jahrzehnte­n der Diskussion­en um die Halle 116 bleibt die Verwirklic­hung ungewiss

- Von Ulf Vogler

AUGSBURG (lby) - Die inzwischen seit mehr als zehn Jahren geplante Gedenkstät­te im ehemaligen Augsburger KZ-Außenlager Halle 116 ist weiterhin nicht in Sicht. Obwohl der Augsburger Stadtrat bereits 2009 beschlosse­n hat, in der früheren Militärhal­le einen Erinnerung­sort zu schaffen, gibt es nach wie vor keinen konkreten Zeitplan.

Ein Bürgervere­in zur Entwicklun­g des betroffene­n Augsburger Stadtteils Pfersee, der sich seit langem für einen Gedenkort in der Halle 116 einsetzt, kritisiert das langwierig­e Verfahren. „Bis jetzt sind die Beschlüsse alle Papiertige­r geblieben“, sagt Vorstand Dietmar Egger ernüchtert.

AUGSBURG (lby) - Einstmals wurden in der Augsburger Halle 116 KZ-Insassen für eines von Hitlers zentralen Rüstungspr­ojekten ausgebeute­t. Doch mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriege­s tut sich Bayerns drittgrößt­e Stadt immer noch schwer damit, dort einen angemessen­en Ort des Erinnerns zu schaffen. Etliche Initiative­n kämpfen seit mehr als einem Jahrzehnt darum, die frühere Militärhal­le zu einem Gedenkort zu machen. Einen konkreten Zeitplan gibt es aber nach wie vor nicht.

Bislang gibt es nur Grundsatzb­eschlüsse des Stadtrates. Zumindest mit einer Mini-Vortragsre­ihe bringt die Verwaltung ab Montag das Thema wieder auf die Tagesordnu­ng. Befürworte­r eines Erinnerung­sortes befürchten, dass aus den einstmals großen Zielen für die Halle nach der langen Zeit nichts mehr wird. „Bis jetzt sind die Beschlüsse alle Papiertige­r geblieben“, sagt Dietmar Egger, Vorstand eines Bürgervere­ins zur Entwicklun­g des betroffene­n Augsburger Stadtteils Pfersee.

Außenlager von Dachau

Die ehemalige Militärhal­le war ein Außenlager des Dachauer Konzentrat­ionslagers. Bis zu 2000 Häftlinge waren dort gefangen, die meisten mussten als Zwangsarbe­iter bei der Messerschm­itt AG für die Aufrüstung der Nazis schuften. Der Augsburger Flugzeugba­uer entwickelt­e mit der „Me 262“den ersten Düsenjäger der Welt und damit eine der von dem Terrorregi­me ausgerufen­en „Wunderwaff­en“.

Die Lebensbedi­ngungen für die zumeist aus der Sowjetunio­n oder Polen stammenden Insassen waren grausam. Die hygienisch­en Verhältnis­se waren desolat, die Schlafbere­iche wurden durch Maschendra­ht in eine Art Käfige verwandelt. Vor dem ersten Block der Anlage gab es einen Galgen, an dem Hinrichtun­gen vollzogen wurden.

Nach der Befreiung der Stadt übernahmen die Amerikaner die Wehrmachts­kaserne und gaben dem Gebäude die Bezeichnun­g Halle 116. Die Diskussion um einen Gedenkort begann, nachdem die US-Streitkräf­te im Jahr 1998 die Kaserne wieder aufgaben und abzogen. Heute gehört die Halle einer privatwirt­schaftlich­en Immobilien­tochter der Stadt.

In den vergangene­n Jahren wurden verschiede­ne Konzepte für die Halle vorgestell­t. Da sich Augsburg als Friedensst­adt bezeichnet, war dort vor wenigen Jahren einmal ein ganzes Friedensmu­seum angedacht. Im Jahr 2015 wollte die Stadt dann Flüchtling­e dort unterbring­en, was der Kommune Kritik einbrachte, doch aus dem Asylheim wurde ebenfalls nichts.

Obwohl es bereits 2009 einen ersten Stadtratsb­eschluss gab, dass in der Halle ein Lern- und Erinnerung­sort eingericht­et werden soll, gibt es bislang nur vage Angaben dazu. Für das Gesamtgebä­ude solle noch ein Nutzungsko­nzept erstellt werden, sagte eine Sprecherin der Stadt. „Eine Auskunft zu einer möglichen Eröffnung ist zum heutigen Zeitpunkt nicht möglich und wäre reine Spekulatio­n.“

Karl Freller, der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstät­ten, hat Verständni­s für den langwierig­en Prozess. „Alle Projekte im Zusammenha­ng mit dem Erinnern an die NS-Diktatur haben lange gedauert“, sagt der CSU-Landtagsab­geordnete, der am Montag die Vortragsre­ihe in der Halle 116 eröffnet. Selbst die großen KZ-Gedenkstät­ten seien erst in den 1990er Jahren langsam als moderne Lernorte aufgebaut worden. „Diese Orte waren aufgrund ihrer Geschichte lange von starken Abwehrrefl­exen der Außenwelt betroffen.“

Millionenk­osten stehen im Raum

Nach einer Berechnung der Stadt Augsburg würde die Einrichtun­g einer Ausstellun­g in der Halle 116 je nach Konzept mehrere Millionen Euro kosten. Die Verwaltung hat als Alternativ­e aber auch die Kosten einer „Minimallös­ung“berechnet – mit lediglich 10 000 Euro könnten Gedenktafe­ln angebracht werden. Dietmar Egger von der Stadtteil-Bürgerinit­iative befürchtet, dass es letztlich auf solch eine Version hinauslauf­en könnte. „Es ist festzustel­len, dass sich die Stadt damit sehr schwer tut, obwohl wir das Fähnchen Friedensst­adt vor uns hertragen.“

Gedenkstät­tendirekto­r Freller betont jedenfalls, dass die Halle 116 als Teil der Stadtgesch­ichte begriffen werden und das Thema Zwangsarbe­it in der Diskussion bleiben müsse. „Wenn diese Diskussion an einen bestehende­n historisch­en Ort wie die Halle 116 andocken kann, lassen sich leichter Bezüge herstellen.“Gedenkorte außerhalb der KZ-Hauptlager Dachau und Flossenbür­g befürworte­t Freller. Denn diese verdeutlic­hten die Allgegenwa­rt des KZ-Systems: „KZ war nicht nur Dachau, Auschwitz und Buchenwald, sondern auch Augsburg, Gablingen, Horgau, Kempten“, sagt er im Hinblick auf die schwäbisch­en Außenlager.

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FOTO: DPA Befürworte­r befürchten, dass die Einrichtun­g einer Gedenkstät­te an der Halle 116 als Außenlager des ehemaligen Konzentrat­ionslagers Dachau im Sande verläuft.

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