Rotlichtmilieu wehrt sich gegen Sperrbezirk
Hausbesitzer Jens Plösser will mit seinen Wohnungen für Prostituierte in der Ravensburger Innenstadt bleiben
RAVENSBURG - Im Rotlichtmilieu kommen die Pläne der Stadt Ravensburg für eine Sperrbezirksverordnung nicht gut an: Vermieter Jens Plösser pocht auf Bestandsschutz für seine Wohnungen, in denen acht Prostituierte arbeiten. Der ehemalige Profiboxer fühlt sich von der Stadtverwaltung kriminalisiert und holt zum Gegenschlag aus: Die künftige Sperrbezirksverordnung, die Prostitution aus der Innenstadt in vier bis fünf Gewerbegebiete verbannen soll, möge für neue Bordelle gelten, aber nicht für seine Apartments in der Rosmarinstraße. „Da gilt Bestandsschutz, sagt mein Anwalt.“Auch die Frauen, mit denen die „Schwäbische Zeitung“gesprochen hat, wollen in der Altstadt bleiben.
Der 49-jährige Unternehmer Plösser kann nicht verstehen, was die Stadtverwaltung plötzlich gegen seine Familie habe. „Wir sind seit 35 Jahren hier, und es gibt keine Probleme mit den Nachbarn, das sind ja alles Restaurants und Geschäfte. Hier wohnt niemand außer uns.“Die Familie Plösser, die früher eine Boxschule in Ravensburg betrieben hat, besitzt zwei Mehrfamilienhäuser in der Rosmarinstraße, in denen acht Prostituierte wohnen und arbeiten – auf eigene Rechnung, wie Plösser sagt.
Als Zuhälter möchte er nicht bezeichnet werden. „Ich bin bloß Vermieter.“Obschon das Mietverhältnis doch etwas über das normale Maß hinausgeht, gibt er auf Nachfrage zu. Plösser oder sein Bruder Fritz oder einer seiner Mitarbeiter seien sofort zur Stelle, wenn eine Mieterin Hilfe braucht, weil ein Freier frech wird oder nicht bezahlen will. „Wir sorgen Tag und Nacht für Sicherheit.“Bei einigen Männern sei es auch manchmal nötig zu erklären, dass man Frauen respektvoll behandeln müsse. Probleme bereiten zudem Gäste, die sehr betrunken sind. Wie schreitet er dann ein? „Erst mal versuchen wir es auf die lustige Tour.“Wobei sich der frühere Schwergewichtsboxer natürlich darüber im Klaren ist, dass seine schiere Präsenz schon deeskalierend wirken kann. Wenn das alles nicht hilft, ruft er die Polizei, sagt er.
Wie hoch die Mieten sind, die die Frauen zahlen müssen, will er nicht sagen. „Schon höher als normal, klar.“Plösser sorgt auch nach seiner Darstellung dafür, dass die Frauen beim Landratsamt gemeldet sind, einen gültigen Prostituiertenausweis haben und regelmäßig zur Gesundheitskontrolle gehen. „Ich zahle Gewerbesteuer und halte mich an die Gesetze.“Zur Sittenpolizei, die regelmäßig vorbeischaue, habe er ein gutes Verhältnis.
In jeder Wohnung hängt ein Poster, das an die Kondompflicht erinnert. „Die meisten Gäste haben damit auch kein Problem, denn sie lieben ihre Familien. Sie kommen nur hierher für Sex.“Was ihn wurmt, ist, dass die Stadtverwaltung ihn „kriminalisiere“. „Ich habe zwar schon ein paar Jahre im Knast hinter mir, aber ich bin älter und ausgeglichener geworden. Mit Menschenhandel habe ich nichts zu tun, meine Mieterinnen wohnen teils schon seit drei Jahren hier.“
Gegen die Sperrbezirksverordnung, die das älteste Gewerbe der Welt aus der Ravensburger Altstadt verbannen soll, sprechen Jens Plössers Meinung nach mehrere Gründe: Die Gewerbegebiete, die als sogenannte Toleranzzonen für Prostitution ausgewiesen werden sollen, lägen viel zu weit außerhalb. „Und es gibt da weder Immobilien noch Grundstücke, die wir nutzen könnten.“Faktisch komme die Verordnung also einem Verbot gleich. Ohne Prostitution als Ventil für die Triebe mancher Männer gäbe es aber viel mehr Vergewaltigungen, glaubt Plösser.
Die Metzgerstraße wäre eine Option
Eine akzeptable Alternative für seine Wohnhäuser an der Rosmarinstraße wäre für ihn nur das Bahnhofsumfeld. „Wenn uns die Stadt zum Beispiel ein Grundstück an der Metzgerstraße anbieten würde, wäre das eine Option. Ich verstehe nicht, dass man nicht mit uns redet. Die Stadt weiß genau, dass wir Bestandsschutz haben.“
Er mag es nicht, wenn man ihn in einen Topf wirft mit großstädtischen Bordellbetreibern, die Laufhäuser mit winzigen Zimmern unterhalten würden oder Flatrates für Bordellbesuche von 50 oder 60 Euro anböten. „Was soll da übrig bleiben für die Frauen?“, fragt er und bietet eine Führung durch seine Mietshäuser an: „Ich habe nichts zu verbergen.“
An diesem Nachmittag ist dort noch nicht viel los, nur eine der acht Frauen ist gerade mit einem Gast beschäftigt. Die anderen führen die Reporterin bereitwillig durch ihre Wohnungen, die alle ähnlich strukturiert sind. Ein privates Schlafzimmer, ein Schlafzimmer für die Arbeit, Küche, Bad, Wohn- oder Aufenthaltsraum mit Fernseher. Die Arbeitsschlafzimmer sind – ganz nach Klischee – in Rotlicht getaucht. Neuerdings gibt es auch Tantra-Massagen ohne Ge- schlechtsverkehr. Die Räumlichkeiten dafür unterscheiden sich im Grunde nicht groß von einem normalen Massagesalon – orientalisch angehaucht mit Buddhafiguren und ähnlichen Accessoires.
Erotik-Masseurin Heidi (49) entspricht nicht dem Bild, das manche von Prostituierten haben. Schlicht in Jeans gekleidet, dezent geschminkt, erzählt die blonde, zierliche Frau von der „familiären Gemeinschaft“im Haus und umarmt Plösser zur Begrüßung. „Die Priorität liegt auf dem Massieren und einem ganzheitlichen Ansatz, verbunden eben mit Erotikmassage“, sagt sie. Zwar seien die meisten Kunden Männer, darunter viele gestresste Geschäftsleute, „aber es kommen auch Paare und Frauen auf der Suche nach Entspannung“. Sie macht den Job seit fast 30 Jahren, „und Sie sehen ja, es hat mich nicht dahingerafft“. Auch Heidi will in der Ravensburger Innenstadt bleiben und nicht in ein anonymes Gewerbegebiet an den Stadtrand gedrängt werden.
Unterdrücken könne die Stadt die Prostitution in Ravensburg ohnehin nicht durch irgendwelche Verordnungen. Generell geht das Geschäft mit der Wohnungsprostitution weiter zurück und verlagert sich – wie so viele Dienstleistungen – ins Internet. „Auf bestimmten Seiten finden Sie Mädchen, die erst 16, 17 Jahre alt sind“, empört sich Plösser. „Das sind meistens die ohne Profilbild. Da entsteht ein Graubereich, in dem gar nichts kontrolliert wird und vieles illegal ist.“Mit Dating-Apps oder Internetportalen hätten heutzutage zudem viele Menschen die Möglichkeit, sexuelle Kontakte außerhalb von Bordellen zu bekommen. Plösser: „Da geht es ja nicht mal mehr um Geld.“