Nach dem Erdbeben
Ex-Weltmeister Spanien ist zwar machtlos gegen Portugals Ronaldo, verliert aber nach turbulenten Tagen nicht die Linie
KRASNODAR (dpa) – In seiner Erleichterung über den Auftritt seiner Mannschaft verstieg sich Spaniens Trainer Fernando Hierro sogar in die Aussage: „Ronaldo ist ein außergewöhnlicher Junge, aber ich würde ihn gegen keinen einzigen meiner Spieler eintauschen.“Das konnte er auch leicht behaupten, da sein viel kritisierter Stürmer Diego Costa von Atlético Madrid, der in der Vergangenheit angesichts der Supertechniker um ihn herum oft wie ein Fremdkörper wirkte, zwei Tore erzielte.
„Wir haben WM pur gesehen“, schwärmte auch Bundestrainer Joachim Löw. „Das war schon ein Genuss.“Ungeachtet der Sternstunde des dreifachen Torschützen Cristiano Ronaldo für Portugal kann Spanien, der Weltmeister von 2010 vor allem auf seine überragende Offensive mit Andrés Iniesta, Isco, David Silva und Costa zählen. „Großartige Arbeit!! Große Gefühle!! Mannschaft!!“, twitterte Spielmacher Iniesta, bevor das Team bis zum Sonntagabend frei bekam.
„Die Spieler haben eine fantastische Reaktion auf die Situation gezeigt und dafür bin ich sehr, sehr dankbar“, sagte Interimscoach Hierro. „Wir haben Charakter bewiesen, Engagement, Stolz, Persönlichkeit … Eine reife Mannschaft, die nicht zweifelt und weiß, was sie will.“ Schließlich habe er nur wenig Zeit gehabt, das Spiel vorzubereiten.
Dabei war der Gegner seit der Auslosung am 1. Dezember bekannt. Doch mit dem Sturz von Chefcoach Julen Lopetegui, dessen Vertrag mit Real Madrid ein Erdbeben ausgelöst hatte im Lager des Topfavoriten, warf Verbandsboss Luis Rubiales alles über den Haufen – zwei Tage vor dem Portugal-Spiel.
„Eigentlich hatten wir eine Debatte um den Angriff, jetzt haben wir sie im Tor mit de Gea“, schrieb „Marca“nach David de Geas Patzer beim 1:2. Das Sportblatt reihte die Aktion des Schlussmanns von Manchester United gleich mal ein in die Pannen frü- herer Nationalkeeper wie jener von Andoni Zubazarreta. Der hatte 1998 in Frankreich beim 2:3 gegen Nigeria den Ball ins eigene Tor gelöffelt.
Dennoch dürfte de Gea am Mittwoch (20 Uhr) gegen Iran wieder zwischen den Pfosten stehen. Der 27Jährige leistete Aufbauarbeit in eigener Sache. „Bevor man lernt zu triumphieren, muss man lernen zu scheitern“, twitterte er mit einem Foto, auf dem ihn Kapitän Sergio Ramos nach dem Schlusspfiff umarmte. „Es war ein Fehler, wie er allen Torhütern mal passiert“, sagte de Gea. Er setze aber auf das Vertrauen von Trainer Hierro und seiner Mitspieler: „Ich spüre ihre Unterstützung.“