Alle jagen die Reizfigur Froome
Titelverteidiger vor Rekordgewinn – Hoffnungen der Franzosen ruhen auf Romain Bardet
PARIS (SID/dpa) - Topfavorit Christopher Froome hat kurz vor dem Start der 105. Tour de France trotz seiner Salbutamol-Affäre eine Art Happy End erlebt. Der Brite gilt zumindest offiziell als unbescholtener RadsportBürger und will ab Samstag trotz der Giro-Strapazen zum historischen fünften Tourtitel fahren. Die Fans haben offenbar etwas dagegen: Der viermalige Tour-Sieger wurde am Donnerstagabend bei der offiziellen Präsentation der 22 Teams in La Roche-sur-Yon vom französischen Publikum gnadenlos ausgebuht und ausgepfiffen. Die Vorstellung des Sky-Teams ging im Gebuhe der rund 5000 Zuschauer unter.
„Das ist natürlich nicht schön. Aber so lange es verbal bleibt, können wir damit leben“, sagte Froomes Teamkollege Geraint Thomas. Froome selbst rollte kommentarlos an den wartenden Journalisten vorbei.
Offenbar können (Rad-)Sportanhänger manche Irrungen und Wirrungen in Dopingfällen nicht mehr nachvollziehen. Erst war Froome von der Tour ausgeschlossen worden. Nachdem ihn der Weltverband und die Welt-Anti-Doping-Agentur für unschuldig erklärten, darf er doch starten. Der 33-Jährige könnte mit dem fünften Triumph zum Rekordgewinner-Quartett Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Indurain aufschließen. Rein sportlich ist Froome der stärkste Rundfahrer der Welt. Wer sind seine Rivalen?
Nairo Quintana (28/Movistar):
Der kleine Kolumbianer wollte im Vorjahr wie nun Froome alles – den Sieg beim Giro und bei der Tour. Das ging aber in die Hose: Den Sieg bei der Italien-Rundfahrt schnappte ihm Tom Dumoulin weg, die Runde durch Frankreich beendete ein kraftloser Quintana auf der Felge und Platz zwölf. Nun startet Quintana ausgeruht. Doch die Frage bleibt: Reichen seine Fähigkeiten am Berg aus, um die Mängel im Zeitfahren auszugleichen?
Wer als französischer Radfan unter 30 ist, hat nie einen Toursieg eines Landsmanns erlebt. 1983 und 1984 gewann der mittlerweile verstorbene Laurent Fignon, 1985 letztmals der große Bernard Hinault. 2018 trägt erneut Bardet die Hoffnungen der Grande Nation auf seinen schmalen Schultern: Der Zweite
Romain Bardet (27/AG2R):
von 2016 muss aber in den Bergen in Vorleistung treten, um seine Schwächen im Zeitfahren wettzumachen.
Rigoberto Urán (31/EF Education First Drapac):
Trotz Platz zwei beim Giro und Silber bei Olympia in Rio flog der Kolumbianer oft unter dem Radar – bis er sich bei der Tour 2017 nur um 54 Sekunden Gesamtsieger Froome geschlagen geben musste. Uran hat keine Schwächen – es könnte seine große Tour werden.
Richie Porte (33/BMC Racing):
Als Edelhelfer bei Sky führte der Australier Bradley Wiggins (2012) und Froome (2013, 2015) zu drei Toursiegen. Nach seinem Wechsel zu BMC wurde Porte 2016 nach einem Defekt Fünfter. 2017 brach er sich nach einem Sturz auf der neunten Etappe das Becken. Jetzt ist er aber in Topform.
Marcel Kittel (30/Katusha-Alpecin):
2017 hat der Deutsche fast ein Viertel aller Etappen gewonnen. „Das krasse Vorjahr mit fünf Siegen zu wiederholen, ist unrealistisch“, sagt der Topsprinter. Ein Anwärter auf den Gesamtsieg ist der 30-Jährige natürlich nicht. Aber ein Mann der klaren Worte. „Es wird wieder krachen“, sagte Kittel der „Sport Bild“über die Sturzgefahr. „Man fragt sich, warum es auf den letzten Kilometern um tausend Ecken gehen muss. Breite, gerade Straßen wären sicherer. Aber es geht sicher auch um spektakuläre TV-Bilder.“