Grüne positionieren sich als Pro-Europäer
Spitzenkandidaten wollen im Wahlkampf vom Unionsstreit profitieren
MÜNCHEN - „Wir beenden die absolute Mehrheit der CSU in 100 Tagen.“Das Versprechen steht auf einer Uhr, die die bayerischen Grünen zu Wahlkampfzwecken gebastelt haben. Inzwischen sieht es allerdings fast so aus, als ob die CSU selbst dieses Versprechen erfüllen würde. Die Uhr sei konzipiert worden „als das noch nicht so klar war“, sagt LandtagsFraktionschef Ludwig Hartmann am Freitag in München. Hartmann und seine Co-Fraktionschefin Katharina Schulze, die grünen Spitzenkandidaten in Bayern, stellen ihre Kampagne zur Landtagswahl vor.
Die Grünen glauben, bei der Landtagswahl am 14. Oktober vom unionsinternen Konflikt um die Asylpolitik der letzten Wochen und dem damit verbundenen Imageverlust profitieren zu können. „Im Angst machen sind sie stark, im Lösungen präsentieren verdammt schwach", sagt Hartmann. „Mut geben statt Angst machen“ist die zentrale Botschaft, welche die Grünen in den verbleibenden drei Monaten bis zum Wahlkampf im Lande plakatieren wollen.
Übertritte aus der CSU
„Die AfD schwingt den Taktstock und die CSU tanzt danach“, sagte Schulze. Im Wahlkampf wolle man sich an diejenigen wenden, die „keine Lust mehr auf Kleinstaaterei und Rechtsruck haben“. Die Polarisierung treibt den Grünen im Freistaat nach eigenen Angaben beachtliche Zahlen an Neumitgliedern zu. 9931 Parteigänger zählen die bayerischen Grünen zur Zeit. Ab und an seien die Mitgliedsanträge auch mit Austrittsschreiben an die CSU versehen, freut sich Schulze. Solche Parteiwechsel sind für sie der Ausbruch aus der „engstirnigen kleinen Welt von Seehofer, Söder und Dobrindt“.
Neben den klassischen grünen Themen wie Artenschutz und das Eintreten gegen den Flächenverbrauch positionieren sich die Grünen so deutlich wie nie zuvor als proeuropäische und staatstragende Kraft. „Ich will ein menschliches Bayern in einem modernen Europa“, heißt es denn auch in einem der am Freitag vorgestellten Plakatmotive. Die Grünen stellten sich jedem entgegen, „der unsere Demokratie und Europa kaputt machen will“, bekräftigte Schulze. Der Zuspruch zu den eigenen Themen sei „wahnsinnig hoch“, sagte Hartmann – was allerdings so oder so ähnlich schon alle Wahlkämpfer in allen Wahlkämpfen behauptet haben. Zu den Themen gehören natürlich auch die Forderungen nach bezahlbaren Mieten und gleicher Bezahlung von Männern und Frauen. Vergessen sind die Zeiten, da ein grüner Fraktionsvorsitzender vor Elektrosmog warnte und dem Handy demonstrativ entsagte. „Ich will schnelles Internet überall in Bayern“, gehört heute zu den Kernforderungen der bayerischen Grünen. Es könne doch nicht sein, so Spitzenkandidatin und SmartphoneVielnutzerin Schulze, „dass ich von München nach Herrsching dreimal ins Funkloch komme“.
Das Ziel der Bemühungen: „Zweitstärkste Kraft in Bayern werden“, sagte Hartmann. Vom Mitregieren nach der Wahl war gar nicht mehr die Rede.