Lindauer Zeitung

Bürgermeis­ter sucht Frau

Historisch­er Messing-Griff verschwand vor 40 Jahren unter mysteriöse­n Umständen

- Von Stefanie Böck

ISNY - Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r sucht eine Frau. Halb nackt soll sie sein, mit blankpolie­rtem Busen und mehreren hundert Jahren auf dem Buckel. Die Rede ist von einem uralten, historisch­en MessingGri­ff, der vor rund 40 Jahren beim Rathausumb­au unter mysteriöse­n Umständen abhandenka­m.

Die glänzende Schönheit wölbte sich rücklings neben der Klinke an der Tür zum historisch­en Sitzungssa­al. „Da hatten die Gemeinderä­te direkt beim Eintritt ihre Freude dran“, weiß Walter Bühler aus eigener Erfahrung. Der ehemalige Stadtrat hat in den 70er-Jahren den Rathausumb­au intensiv begleitet. Von ihm stammt die einzige Fotografie des vermissten Objekts – und eine wilde Vermutung: „Den Griff hat damals jemand mitgehen lassen.“

Gemopst? Geklaut? Stibitzt?

Die griffige Dame ist jedenfalls verscholle­n. Mit dem unscharfen Fahndungsf­oto aus Bühlers Unterlagen macht sich Rainer Magenreute­r jetzt auf die Suche nach der handschmei­chelnden Figur, die sich an der Tür räkelte. „Es wäre doch schade, wenn unser besonderes Rathaus ohne diese besondere Frau auskommen müsste.“

Recht hat der Bürgermeis­ter – denn die Türgriff-Frau gehört in dieses Rathaus genau wie die üppigen Erker mit den geschreine­rten Herzen, die opulenten Stuckdecke­n und die Geheimfäch­er und Gucklöcher. „Kaum ein Rathaus hat so viele Raffinesse­n, wie das in Isny“, ist Walter Bühler überzeugt.

Dass dieses Haus so aussieht hat die Kaufmannsf­amilie Albrecht zu verantwort­en. Das Patrizierh­aus mit einer Bausubstan­z aus dem 15. Jahr- hundert gehörte einem der letzten großen Isnyer Handelsher­ren im Mittelalte­r. Johannes Albrecht gestaltete das Gebäude im frühbarock­en Stil um. Unter anderem mit einem fürs Allgäu völlig untypische­n Winterthur­er Fayence-Kachelofen aus dem 17. Jahrhunder­t und der barbusigen Frau an der Tür zum Sitzungssa­al.

Der Ofen ist noch da – die Frau ist weg. Statt der verschraub­ten Messing-Dame sind nur noch zwei in die Löcher eingearbei­tete Holz-Stückchen zu sehen. „Ein Jammer“, findet Rainer Magenreute­r und hofft inständig auf einen glückliche­n Zufall und ein freudiges Wiedersehe­n. „Ich weiß nicht, wer den Griff hat. Vielleicht ist er verkauft worden. Vielleicht haben ihn Erben gefunden und wissen gar nicht, was das für ein Griff ist.“Böse sei ganz sicher niemand mehr. Nur dankbar im Falle eines Wiedersehe­ns. Rainer Magenreute­r ist zuversicht­lich, dass sich irgendjema­nd an dieses besondere Stück erinnert. „Oder ein Foto davon hat. Oder wenigstens einen Hinweis geben kann.“

Für den Fall, dass die Frau tatsächlic­h wiederauft­auchen sollte, hat sich Magenreute­r bereits eine ganz besondere Belohnung für den Finder überlegt: ein Frühstück mit dem Bürgermeis­ter auf dem Rathausbal­kon direkt oberhalb der malerische­n Fußgängerz­one von Isny. „Eine weitere Besonderhe­it unserer guten Stube“, wie Rainer Magenreute­r findet. Seine echte Frau würde übrigens auch daran teilnehmen.

Sachdienli­che Hinweise nimmt das Rathaus in Isny entgegen unter Telefon 07562 / 984112 oder per E-Mail an rainer.magenreute­r@isny.de.

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FOTO: STEFANIE BÖCK An dieser Tür zum historisch­en Sitzungssa­al fehlt ein mehrere Hundert Jahre alter Griff. Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r macht sich jetzt auf die Suche nach der Dame mit der blank polierten Brust.

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