Angeklagt
Der australische Kurienkardinal George Pell ist Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariates und damit eine Art Finanzminister des Papstes. Wegen eines an diesem Montag in Melbourne beginnenden Strafrechtsprozesses gegen ihn ist der 77-Jährige allerdings seit Juni 2017 von Papst Franziskus als Finanzchef beurlaubt. Er darf Australien nicht verlassen.
Medien ist aufgrund der australischen Rechtslage die Berichterstattung verboten. Dieses Verbot schließt auch Berichte über das Verbot selbst ein. Das Verbot bleibt bis zum Ende des Verfahrens einschließlich einer möglichen Berufungsverhandlung in Kraft. Offiziell unbekannt sind auch die Anklagepunkte. Es ist aber in Australien ein offenes Geheimnis, dass es um zwei Fälle geht: In den 1970er Jahren soll Pell als Priester in Ballarat mehrere männliche Teenager in einem Schwimmbad sexuell belästigt haben. Im zweiten Fall geht es um den Vorwurf, Pell habe in den 1990er Jahren als Erzbischof in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne Chorknaben zu Oralsex gezwungen.
Pell wurde am 8. Juni 1941 in Ballarat im australischen Bundesstaat Victoria geboren und mit 25 Jahren zum Priester geweiht. Nach Stationen in Seelsorge und Hochschule ernannte ihn 1987 Papst Johannes Paul II. (1978-2005) zum Weihbischof und 1996 zum Erzbischof von Melbourne. 2001 wurde Pell nochmals befördert, nach Sydney, der Hauptstadt des australischen Libertinismus. Von hier aus meldete er sich immer wieder mit kernig-konservativen Statements über Themen wie Homosexualität, Bioethik und Umwelt zu Wort.
Als Mitglied der Römischen Glaubenskongregation (19902000) gehörte Pell zu den engsten Beratern des damaligen Präfekten Joseph Ratzinger, später Papst Benedikt XVI. (2005-2013). Unter den Kandidaten für dessen Nachfolge im Amt des Präfekten wurde 2005 auch sein Name genannt. (KNA)