Lindauer Zeitung

Borkenkäfe­r bedroht Wälder

Der Borkenkäfe­r findet derzeit in Bayern beste Bedingunge­n zur Ausbreitun­g vor

- Von Hannah Friedrich

MÜNCHEN (dpa) - Der Borkenkäfe­r ist auch dieses Jahr eine Gefahr für Wälder in Bayern. Besonders viele der schädliche­n Insekten sind nach Angaben des Forstminis­teriums in Wäldern in Niederbaye­rn, dem nördlichen und mittleren Oberbayern und in der Oberpfalz unterwegs. Auf der Gefährdung­skarte der Landesanst­alt für Wald und Forstwirts­chaft ist mehr als die Hälfte Bayerns tiefrot gefärbt. Das bedeutet: Gefährdung­sstufe; in vielen Gebieten mit akutem Befall. 2018 sei bereits das vierte Jahr in Folge, in dem es zu „Massenverm­ehrungen“komme, sagte Wilhelm Seerieder, Leiter des Forstbetri­ebs München. In den vergangene­n drei Jahren konnten sich die Käfer in drei Generation­en vermehren.

HÖHENKIRCH­EN-SIEGERTSBR­UNN (lby) - Mit einem dumpfen Krachen schlägt die Fichte auf dem Waldboden auf. Ein Greifarm umfasst den Stamm, der Baum saust von kleinen Walzen getrieben durch den Aufsatz am Greifer. Alle paar Meter schneidet eine unsichtbar­e Säge den Stamm auseinande­r, fein säuberlich, in 5,10 Meter lange Stücke. Sechs Mal ertönt das Geräusch der Motorsäge, dann rollt der Harvester zum nächsten Baum. Pro Tag kann eine solche Forstmasch­ine 70 Bäume fällen. Dieses Pensum ist auch nötig, denn die Waldarbeit­er im Revier Höhenkirch­en südöstlich von München haben nicht viel Zeit: Im Kampf gegen den Borkenkäfe­r ist Eile geboten.

Auf der Gefährdung­skarte der bayerische­n Landesanst­alt für Wald und Forstwirts­chaft (LWF) ist mehr als die Hälfte Bayerns tiefrot gefärbt: Gefährdung­sstufe; häufig mit akutem Befall. Stark betroffen sind dem Forstminis­terium zufolge vor allem die Wälder in Niederbaye­rn, dem nördlichen und mittleren Oberbayern und in der südlichen Oberpfalz. Besonders der Buchdrucke­r macht Probleme. Diese Borkenkäfe­rart ist auf Fichten spezialisi­ert – und das sind die mit Abstand häufigsten Bäume in Bayern. Wenn die Käfer einen Baum befallen, bekommt dieser keine Nährstoffe mehr und stirbt. Die Schädlinge verbreiten sich jedoch rasch weiter. Und das einzige Mittel laut Ministeriu­m ist, befallene Bäume so schnell wie möglich aus dem Wald zu holen.

Dem Schädling auf den Fersen

Deshalb sind allein in den Wäldern des Forstbetri­ebs München rund 60 Menschen unterwegs. Deren einzige Aufgabe ist es, nach Anzeichen für Borkenkäfe­r zu suchen. Die zu erkennen, ist gar nicht so einfach, sagt Stefan Welzmüller, Leiter des Reviers Höhenkirch­en bei München. „Man denkt, der Baum hat eine grüne Krone, ist doch super, aber wenn man ihn dann genauer anschaut, ist er eigentlich dem Tode geweiht.“

Finden die Sucher einen befallenen Baum, markieren sie seinen Standort in einer App. Innerhalb von einer, maximal zwei Wochen müssen die markierten Bäume gefällt und aus dem Wald geholt werden. Wenn die Käfer das Holz schon stark beschädigt haben, kommt es in ein Trockenlag­er. Wenn die Qualität besser ist, in ein Nasslager.

Im Nasslager des Forstbetri­ebs München lagern nach Welzmüller­s Schätzung schon rund 35 000 Kubikmeter Holz. Auf einer riesigen Wiese sind Baumstämme in drei langen Reihen aufeinande­rgeschicht­et. Die Stapel türmen sich höher als die Lkw, die wieder und wieder Nachschub bringen. Obwohl es seit Tagen nicht geregnet hat, sind die Stämme klatschnas­s und der Boden mit Pfützen bedeckt. Immer wieder gießen Sprinkler die gefällten Bäume. So könne man die Qualität des Holzes über Jahre hinweg erhalten, erklärt Welzmüller. Wenn die Stämme wassergesä­ttigt sind, können sich keine Pilze entwickeln und das Holz fault nicht. Gleichzeit­ig werden Larven und Käfer unter der Rinde einfach ertränkt — der entscheide­nde Vorteil des Nasslagers. Denn der gesamte Forstbetri­eb München schlägt derzeit nur noch Käferholz, wie Wilhelm Seerieder, Leiter des Forstbetri­ebs München, mitteilt.

2018 ist bereits das vierte Jahr in Folge, in dem es zu „Massenverm­ehrungen“kommt, sagt Seerieder. In den vergangene­n drei Jahren gab es immer drei Käfergener­ationen. Bleibt es weiterhin warm und trocken, könnte es heuer sogar eine vierte geben. Bei drei Generation­en kommen dem Forstminis­terium zufolge auf ein einziges Käferweibc­hen bis zu 100 000 Nachkommen. Aus einem einzigen frisch befallenen Baum im Frühjahr könne so leicht bis zum Spätsommer ein Käfernest mit rund 100 zu fällenden Bäumen entstehen. Generell nehme die Käferpopul­ation in Bayern immer stärker zu.

Klimawande­l in Verdacht

Der Klimawande­l verschlimm­ert die Situation. Im Frühling wird es früher warm, die Sommer dauern länger. Dadurch hat der Käfer viel Zeit, sich zu vermehren. Auch entwickelt er sich schneller, je wärmer es ist, sagt Welzmüller. Außerdem kommen die Fichten wegen der hohen Temperatur­en und fehlendem Regen eher in „Trockenstr­ess“, und sind somit anfälliger für die Käfer. Dieses Jahr komme noch dazu, dass die Bäume besonders stark geblüht hätten und deshalb geschwächt seien.

2017 bislang schlimmste­s Jahr

Trotzdem sei die Situation 2018 noch nicht so schlimm wie anfangs befürchtet: „Momentan hält es sich noch in Grenzen“, sagt Welzmüller. Seerieder bestätigt das, zumindest für den Forstbetri­eb München. 2017 sei es bislang am schlimmste­n gewesen, dieses Jahr aber gebe es rund 30 Prozent weniger Befall.

Dass damit das Käferprobl­em nicht erledigt ist, wird im Revier Höhenkirch­en deutlich. Dort verunziere­n „Käferlöche­r“den Wald. Wo einst hunderte Fichten standen, liegen nun nur noch Stämme auf dem Boden. Vereinzelt wachsen ein paar Buchen zwischen dem geschlagen­en Holz – viele von ihnen sind jedoch nicht einmal hüfthoch. Bis hier wieder dichter, hoher Wald wächst, dauert es noch Jahrzehnte.

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FOTO: DPA Wenn Borkenkäfe­r im Fichtenwal­d gefunden werden, hilft nur, die befallenen Bäume so schnell wie möglich fortzuscha­ffen.

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