Neue Initiative zur Stabilisierung Syriens
Merkel und Putin sprechen mit Frankreich und der Türkei – Nord-Stream-2-Pläne bekräftigt
MOSKAU/BERLIN (dpa/AFP) - Russland und Deutschland wollen an einem neuen Format mit Frankreich und der Türkei zur Stabilisierung des vom Bürgerkrieg zerstörten Syriens arbeiten. Das sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow nach dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Wladimir Putin auf Schloss Meseberg bei Berlin.
Das Viererformat soll sich zuerst auf Expertenebene finden. Später könne daraus ein Gipfeltreffen erwachsen. „Es gibt aber kein abgestimmtes Datum“, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge. Putin habe die EU aufgerufen, beim Wiederaufbau Syriens zu helfen. Man müsse den syrischen Regionen helfen, in die Flüchtlinge aus dem Ausland heimkehren könnten.
Konkrete Ergebnisse seien von dem Arbeitstreffen nicht zu erwarten gewesen, sagte Peskow. Es sei um eine engere Abstimmung gegangen. Alle vorher angekündigten Themen seien besprochen worden, darunter auch die Ukraine. Nach Kreml-Angaben waren sich Merkel und Putin einig, die umstrittene Erdgasfernleitung Nord Stream 2 durch die Ostsee gegen drohende US-Sanktionen zu verteidigen. Vereinbart worden sei auch, am zivilgesellschaftlichen Petersburger Dialog Deutschlands mit Russland festzuhalten.
Trotz aller Unstimmigkeiten hatte Merkel die gemeinsame Verantwortung beider Länder für die Friedensbemühungen in Konfliktregionen wie Syrien oder der Ostukraine betont. Putin erklärte, dass er der Zusammenarbeit mit Deutschland „große Bedeutung“beimesse.
In der internationalen Krisendiplomatie könne auf Russland nicht verzichtet werden, machte Merkel klar. „Wir haben Verantwortung, und deshalb sollten wir daran arbeiten, Lösungen zu finden“, sagte sie. „Ich bin der Meinung, dass kontroverse Themen nur im Gespräch gelöst werden können.“
Die Einladung an Putin bedeutet eine gewisse Rückkehr zur diplomatischen Normalität. Die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 hatte die Beziehungen zum Westen schwer belastet. Russland war damals aus der G8-Staatengruppe ausgeschlossen worden, Putin war seitdem nicht mehr zu einem bilateralen Besuch nach Deutschland gereist.
BERLIN - Auch diesmal lässt er sie warten. Doch Angela Merkel nimmt die gut 30-minütige Verspätung scheinbar gelassen, schließlich ist das beim russischen Präsidenten fast schon pünktlich. Ein Händedruck, ein freundliches Lächeln – die Begrüßung vor dem Schloss fällt eher geschäftsmäßig als herzlich aus. Es ist das erste bilaterale Krisentreffen von Angela Merkel und Vladimir Putin in Deutschland seit dem Beginn der Ukrainekrise vor vier Jahren.
Im Kanzleramt hat man die Erwartungen bereits im Vorfeld der Begegnung auf Schloss Meseberg, dem barocken Gästehaus der Bundesregierung, am Samstagabend heruntergeschraubt. Allein, dass die beiden miteinander reden würden, sei schon ein Erfolg, heißt es. Merkel müsse Klartext reden, die Probleme beim Namen nennen, hatte die Opposition im Vorfeld gefordert.
Der Kreml-Chef kommt aus Österreich, ist quasi auf der Durchreise. Wenige Stunden zuvor hatte Putin noch auf der Hochzeit der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl in der Steiermark getanzt („ein privater Besuch“) und damit für jede Menge Gesprächsstoff gesorgt.
Der Krieg in Syrien, die Krise in der Ostukraine, das von den USA aufgekündigte Atomabkommen mit dem Iran und das Projekt der Ostseepipeline Northstream 2 – eigentlich genug Gesprächsstoff für mehrere Krisengipfel. Merkels wichtigstes aktuelles Ziel: zu verhindern, dass es im Norden Syriens zu einer weiteren humanitären Katastrophe kommt. Die Kanzlerin und die EU-Partner drängen auf eine Verfassungsreform und freie Wahlen, wollen dort den Machthaber und syrischen Präsidenten Baschar al-Assad nach sieben Jahren Krieg entmachten und eine politische Lösung ohne ihn. Russland dagegen stützt Assad auch weiter. Putins Forderung an die Kanzlerin und die EU-Partner: Europa soll finanzielle Hilfe beim Wiederaufbau in Syrien leisten, um die Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Heimat zu ermöglichen.
„Wir haben Verantwortung, Deutschland, aber vor allem auch Russland. Deshalb sollten wir daran arbeiten, Lösungen zu finden“, sagt Merkel beim gemeinsamen Auftritt vor den Kameras vor Beginn des Gesprächs. Angesichts der großen Zahl ernster Konflikte in der Welt sei die Kooperation mit Russland unverzichtbar, erklärte Merkel. Er messe der Zusammenarbeit mit Deutschland große Bedeutung bei, versicherte Putin, sieht Berlin als „führenden Partner“und hob vor allem die guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern hervor. Erst vor drei Monaten hatte Putin die Kanzlerin in seiner Sommerresidenz in Sotschi am Schwarzen Meer empfangen. Mit der russischen Annexion der Halbinsel Krim in der Urkaine hatte 2014 der Konflikt mit Moskau begonnen. Jetzt stehen die Zeichen auf vorsichtige Entspannung.
Lässt der US-Präsident Donald Trump mit seiner unberechenbaren Politik Merkel und Putin wieder enger zusammenrücken? Die Kanzlerin hofft auf Bewegung und setzt darauf, dass der Kreml-Chef im Ukrainekonflikt einlenkt, um die Kämpfe zwischen den prorussischen Separatisten und den ukrainischen Regierungstruppen endlich zu stoppen. Doch eine Lösung, etwa der Einsatz einer UN-Blauhelmtruppe, lässt weiter auf sich warten.
Nach etwas mehr als drei Stunden steigt Putin wieder in seine dunkle Limousine, macht sich auf die Heimreise nach Russland. Keine Pressekonferenz, keine Fragen, keine Erklärungen.