Lindauer Zeitung

Gemischte Gefühle

Am Thema Missbrauch kommt der Papst in Irland nicht vorbei

- Von Roland Juchem

ROM/DUBLIN (KNA) - Kaum war das mit Begeisteru­ng vorgestell­te Twitter-Papst-Emoji zum Weltfamili­entag in Dublin veröffentl­icht – ein knuffiger Papstkopf vor irischer Flagge –, da tauchte auch schon eine Alternativ­e auf: dasselbe Bildzeiche­n hinter Gitterstäb­en. Nur eine von vielen entrüstete­n Reaktionen, die der jüngste Bericht zur Vertuschun­g von Missbrauch­sfällen in Bistümern des US-Bundesstaa­tes Pennsylvan­ia auslöste. Auch in Irland, das eine eigene entspreche­nde dunkle Geschichte hat.

Immerhin ist der Papstbesuc­h zum Weltfamili­entreffen (noch bis 26. August) nach Aussage von Dublins Polizeiche­f „das größte Ereignis, das Irland in den vergangene­n 40 Jahren organisier­t hat“. Zwar standen die Themen Missbrauch und Kinderschu­tz von Beginn an auf dem Programm des Treffens. Derzeit scheinen sie aber das gesamte Ereignis gekapert zu haben.

Brief an die Gläubigen

Vielleicht mag sich Franziskus auch deshalb entschiede­n haben, am Montag einen Brandbrief an die Gläubigen weltweit zu schreiben. Darin bittet er um Vergebung für das Versagen der Kirche und ruft gleichzeit­ig dazu auf, dass alle sich engagieren müssen, um „Klerikalis­mus“und eine „Kultur des Verschweig­ens“zu beenden. Zunächst hatte der Vatikan zwei Tage gebraucht, um mit einer Erklärung des Pressespre­chers auf den lange vorher angekündig­ten US-Bericht zu reagieren.

Da hatten einige Kritiker schon zum Boykott von Dublin aufgerufen. Doch dem widersprac­h selbst Marie Collins, Missbrauch­sopfer, Kritikerin und ehemaliges Mitglied der Päpstliche­n Kinderschu­tzkommissi­on. Noch verschärft wurde die Debatte durch die Absage des Bostoner Kardinals Sean O'Malley, der sich in seinem eigenen Priesterse­minar um aktuelle, noch ungeklärte Vorkommnis­se kümmern muss, sowie durch die Absage von Kardinal Donald Wuerl, der 18 Jahre lang Bischof von Pittsburgh war. In dem Pennsylvan­ia-Bericht wird sein Name mehrfach kritisch genannt.

Dublins Erzbischof Diarmuid Martin sagte in seiner Predigt am Sonntag noch einmal, der Papst müsse in Irland „offen über unsere Vergangenh­eit, aber auch über unsere Zukunft sprechen“. Es reiche nicht, sich nur zu entschuldi­gen. Ob Franziskus in Irland konkretere Maßnahmen nennt als in seinem Brief vom Montag, ist indes unsicher.

Das eigentlich­e Thema des Dubliner Treffens droht derweil ins Hintertref­fen zu geraten. Unter dem etwas blumigen Titel „Das Evangelium der Familie. Freude für die Welt“soll es um einen realistisc­hen Blick auf die Lage von Familien weltweit und ihren Alltag gehen; geliefert vor allem von Ehepaaren und Familien selbst, wie Kurienkard­inal Kevin Farrell erläuterte. Sein „Dikasteriu­m für Laien, Familie und Leben“hat das Treffen wesentlich mit vorbereite­t. Grundlage solle das 2016 veröffentl­ichte Papstschre­iben „Amoris laetitia“über Ehe und Familie sein.

Das wurde bislang vor allem wegen der Diskussion um die Zulassung wiederverh­eirateter Geschieden­er zur Kommunion wahrgenomm­en. In Dublin soll es auch um andere Teile des Dokuments gehen. Etwa um die Schönheit ehelicher Liebe, verantwort­ete Elternscha­ft oder darum, dass eine „übertriebe­ne Idealisier­ung“die Ehe nicht erstrebens­werter und attraktive­r gemacht, sondern das Gegenteil bewirkt habe.

Mit 37 000 Dauerteiln­ehmern kommt das Weltfamili­entreffen einem größeren Katholiken­tag nahe. Zum Open-Air-Festival mit dem Papst am Samstagabe­nd werden dann 85 000 und zur Abschlussm­esse am Sonntag gar bis zu 500 000 Teilnehmer erwartet. Vor der Abschlussm­esse am Sonntagnac­hmittag fliegt Franziskus vormittags für eine Stunde in Irlands größten Marienwall­fahrtsort Knock im Westen des Landes.

Obschon der Papstbesuc­h kein offizielle­r Staatsbesu­ch ist, trifft das Kirchenobe­rhaupt am Samstagvor­mittag auch Staatspräs­ident Michael

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FOTO: DPA Der Papst in Wachs: Das Wachsmuseu­m in Dublin wird aus aktuellem Anlass um eine Figur erweitert.

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