Papst sollte Opfern beistehen
Die Missbrauchsskandale legen sich wie Mehltau über das gesamte Wirken der katholischen Kirche, über alle Gespräche und sogar Gottesdienste. Jetzt überlagern die Ermittlungsergebnisse, die vor einer Woche bekannt wurden, den Familientag in Dublin.
Papst Franziskus kann dieses Forum und die weltweite Aufmerksamkeit seines ersten großen Auftrittes nach der Veröffentlichung der Grand Jury in den USA nutzen, um die Opfer um Vergebung zu bitten. Er sollte ihnen jede Hilfe anbieten, Beistand, Unterstützung, Empathie.
Dieser Blickwinkel, die Perspektive der Opfer, ist entscheidend. Denn bei der Aufarbeitung des Skandals geraten allzu häufig die Opfer aus dem Blick. Die Vertreter der Täterinstitution schaffen es dagegen häufig, sich in der Öffentlichkeit als Opfer einer unberechtigten Skandalisierungzu präsentieren.
Franziskus hat die Chance, auf Klartext und demütige Positionierung: So, wie er sich auf die Seite von Flüchtlingen stellt, sollte er auch die Seite der Missbrauchsopfer einnehmen. Higgins und Premierminister Leo Varadkar. Der bekennend homosexuelle Varadkar will den Papst auch daran erinnern, wie sich die Auffassungen der Iren zu Homosexualität, Familienformen und Abtreibung geändert haben. Im Mai stimmten zwei Drittel für eine Änderung des bislang sehr strengen Abtreibungsverbots. Dass die Diskussion nicht einfach wird, räumt Farrell ein.
Insofern setzt sich fort, was Johannes Paul II. im Sinn hatte, als er 1994 im UN-Jahr der Familie zum ersten katholischen Weltfriedentreffen nach Rom lud. Den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen zu Familie, Geschlechtern und Familienplanung sollen katholische Alternativen entgegengestellt werden. Dafür mag die Kirche teilweise gute Argumente haben. Ihre angeschlagene Glaubwürdigkeit erschwert deren Vermittlung allerdings sehr.