Keine Chance gegen das große Geld
Die Bundesliga könnte in Europa bald so abgehängt sein wie der deutsche Rest vom FC Bayern
RAVENSBURG - Die Welt des Fußballs ist im Kleinen immer auch ein Spiegel der politischen Welt. In Letzterer werden Reiche fortwährend reicher und finden stets neue Schlupflöcher und Gleichgesinnte, um ihre Interessen durchzusetzen. Auch im Fußball schufen erst die Topclubs in der G14, dann die Oligarchen, Weltkonzerne und inzwischen gar Staaten wie Katar im Falle von Paris St. Germain eine Herrschaft von wenigen. Zuweilen kann sie für wenige Jahre unterbrochen werden, ehe sich am Ende das Kapital wieder durchsetzt.
Jürgen Klopps Dortmunder waren mit ihren Titeln bis 2012 Beleg dafür – auf nationaler Ebene. Zwei Jahre später waren sie – wie zehn Jahre zuvor die aufmüpfigen Leverkusener – vom finanziell überlegenen Marktführer Bayern München ihrer Protagonisten beraubt worden, und die alte Herrschaft war wieder hergestellt.
Inzwischen, sechs Bayern-Meisterschaften später, ist die Dominanz der Münchner so stark, dass man sich nur noch fragt, mit wie vielen Punkten der FCB in der nun beginnenden 56. Bundesligasaison Meister wird: mit 10, 17 oder doch 24? Kult-Kicker Ansgar Brinkmann motzte kürzlich: „Kinder,
„Ein 25-Jähriger von Manchester lacht über die Angebote der Bayern.“
Hoffenheims Coach Julian Nagelsmann
die in diesem Sommer eingeschult werden, kennen nur den FC Bayern als Meister. Da ist die Kindheit schon am Arsch.“Andere Experten prophezeien, dass die Münchner noch 20 Jahre lang unantastbar seien.
Tatsächlich sind die Zahlen einschüchternd: Geschätze 300 Millionen Euro hat der FCB auf dem Festgeldkonto gebunkert, der Marktwert des Bayern-Kaders ist laut transfermarkt.de mit 850 Millionen Euro höher als jener der Verfolger Dortmund und Leverkusen zusammen. Selbst ein 150-Millionen-Angebot für Topstürmer Robert Lewandowski haben die Münchner zuletzt abgelehnt und stattdessen Geld angesammelt, um im Falle des Falles reagieren zu können.
Für den Rest von Fußball-Deutschland ist vorzeitige Kapitulation aus Gründen der Aussichtslosigkeit nicht gerade stimmungsaufhellend – weder für Clubs noch für Fans noch für die Liga insgesamt. Das Risiko bleibt immanent: Wer sich gelangweilt fühlt, der wendet sich irgendwann ab.
Die Liga lechzt nach mehr Spannung – und macht durchaus Vorschläge. VfB-Manager Michael Reschke etwa fordert die Einführung von Playoffs. Tatsächlich täte es dem Status der Bayern nicht weh, würden sie auch mal einen Titel aufgrund fehlender Tagesform verpassen – wie zuletzt den Pokal gegen Frankfurt.
„Herrschaft durch Teilhabe“und ein wenig mehr Konkurrenz, das streben inzwischen sogar die Münchner selbst an – und befürworten ihrerseits ein Kippen der 50+1-Regel. Die gibt es nur in Deutschland und besagt, dass Vereine mindestens 50 Prozent und eine Stimme der Anteile an den ausgegliederten Profifußballgesellschaften halten müssen. Der Einfluss von Investoren soll damit eingedämmt werden. Doch die Bayern wissen auch, dass bei einem Fallen der 50+1-Regel – Hannovers Clubchef Martin Kind klagt gerade dagegen – gerade sie am meisten kassieren könnten bei weiteren Anteilsverkäufen.
Ralf Rangnick, Sportdirektor und Trainer der vom Weltkonzern Red Bull finanzierten Leipziger, ist ebenfalls für die Abschaffung der Investorensperre – klar, RB hat bereits einen Eigner, der in diesem Fall richtig ernst machen könnte. Falls sich an den Einnahmen nichts ändert, prophezeit Rangnick der Liga eine düstere Zukunft. Die Bundesliga könnte bald „auf dem Friedhof der Erinnerung“landen, glaubt Rangnick. Letzte Saison kam keine deutsche Mannschaft in der Europa League weit; Dortmund etwa scheiterte im Achtelfinale an Red Bull Salzburg. Um solche Gegner zu schlagen, braucht es wohl eher bessere Trainer und Taktiken als mehr Geld vom TV. Doch Fakt ist: Die Rivalen aus England und Spanien kassieren mehr als doppelt so viel wie der deutsche Liverpools Coach Jürgen Klopp
Krösus. 2,3 Milliarden Euro jährlich nehmen die Premier-League-Clubs mit ihren TV-Rechten ein, 1,7 Milliarden die Spanier, 1,15 Milliarden die Deutschen. Franzosen und Italiener holen auf – Juventus Turin sorgte gerade mit dem 300-Millionen-EuroTransfer für Cristiano Ronaldo für Aufruhr. Gleich sieben Investoren, darunter auch Hedge-Fonds, versuchen, den Club nach vorne zu bringen.
Jürgen Klopp findet den Verzicht der Bundesliga auf solche Summen nicht unbedingt schlecht: „Ich glaube nicht, dass in Deutschland eine Kultur vorherrscht, in der ein Transfer für 150 Millionen Euro toleriert werden würde“, sagte Liverpools Coach. „Dort ist ein ablösefreier Wechsel perfekt.“In England sei das anders: „Ablösefrei bedeutet: „Kost’ nix? Kann nix!’“Während die Engländer diesen Sommer 1,4 Milliarden für neue Spieler ausgegeben haben, kommt die Bundesliga nur auf 450 Millionen Euro.
Die Bundesliga droht international abgehängt zu werden, und auch der attraktivere Fußball wird mittlerweile woanders gespielt. In England wird etwa nicht mehr nur in Stars, sondern auch in Trainer, Spielideen, Torhüter und Nachwuchsspieler investiert. Aber auch das ist am Ende wieder eine Frage des Geldes. „Ein 25-Jähriger, der bei Manchester United gespielt hat, lacht über die Angebote der Bayern, weil er das Münchner Jahresgehalt in England in einem halben Jahr verdient“, sagte Hoffenheims Coach Julian Nagelsmann gerade – und rief zu besserer Nachwuchsarbeit auf: „Wir müssen noch früher und besser scouten, die Clubs brauchen Trainer, die junge Spieler auch einsetzen. Das ist das Finanzierungsmodell, das die Bundesliga hat.“
Nagelsmann selbst will übrigens mit diesem Modell Meister werden, und zwar sofort, auch wenn es schwer werde, wie er einräumte. Wenn nicht mit Hoffenheim 2019, dann eben danach mit jungen Leipzigern.
„Ich glaube nicht, dass in Deutschland ein Transfer für 150 Millionen Euro toleriert werden würde.“