Mit Extrakt vom Meerrettichbaum gegen Feuerbrand
Zwei Biotechnologinnen aus Kuba arbeiten in Bavendorf an Bio-Pflanzenschutzmitteln
Von Lena Müssigmann
RAVENSBURG - Das Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee in Bavendorf hat immer wieder Forscher aus aller Welt zu Gast – derzeit aus Brasilien, Syrien, Russland, Pakistan und Kuba. Von ihren Erkenntnissen könnte auch die hiesige Bio-Landwirtschaft profitieren, sagt KOB-Geschäftsführer Manfred Büchele.
Zwei kubanische Doktorandinnen im Fach Pflanzenbiotechnologie, Claudia Linares Rivero (26) und Geeisy Angela Cid (25), arbeiten seit Juni in Bavendorf an biologischen Spritzmitteln. Sie haben aus ihrer Heimat Extrakte aus Wurzeln und Blättern zweier Bäume mitgebracht. Sie heißen Morinda royoc und Moringa oleifera – Letzterer wird auf Deutsch als Meerrettichbaum bezeichnet. Die beiden Frauen gehen davon aus, dass Extrakte bei Obstbäumen und -büschen gegen Pilzkrankheiten wie Schorf und Fäule beziehungsweise gegen die bakterielle Erkrankung Feuerbrand wirken. Noch experimentieren sie im Labor. Sollte sich eine Wirksamkeit abzeichnen, starten sie Feldversuche.
Not macht erfinderisch
Kubanische Wissenschaftler hätten auf dem Gebiet pflanzlich hergestellter Spritzmittel besondere Kenntnisse, sagt KOB-Geschäftsführer Büchele. Das habe mit der wirtschaftlich schwierigen Situation ihres Landes zu tun: Kubanische Bauern hätten nicht die Möglichkeit, Spritzmittel bei internationalen Konzernen einzukaufen. Stattdessen suchten sie nach pflanzlichem Ersatz im eigenen Land, erklärt Büchele.
Die Forschungsergebnisse interessierten auch die Landwirtschaft in Deutschland. Auf Kuba werden zwar keine Äpfel, sondern Mangos, Guaven, Ananas, Avocados und Bananen angebaut. Aber Fäulnis, Schorf und Feuerbrand seien dort wie auch hierzulande „Hauptgegner“in der Obst- und Gemüseproduktion. Die natürlichen Spritzmittel könnten bei einem Nachweis der Wirksamkeit auch in Deutschland in der Bio-Landwirtschaft eingesetzt werden. Ob sie dazu geeignet sind, chemische Spritzmittel zu ersetzen, werde Teil der Forschungsergebnisse sein, sagt Büchele.
Das Forscherteam aus Kuba bleibt noch bis Dezember in Ravensburg. Im Sinne des wissenschaftlichen Austauschs reisen dann für einen Monat zwei deutsche Forscher zu den Forscherinnen an das Centro de Bioplantas in Ciego de Ávila, um dort eine Marktstudie für den Bedarf an Biopestiziden zu erarbeiten
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt des KOB nach Angaben eines Pressesprechers mit rund 87 000 Euro. Bundesweit werden demnach bisher elf Forschungsprojekte mit Kuba gefördert. „Vor dem Hintergrund der verbesserten Beziehungen zu Kuba soll auch die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit wieder belebt werden“, heißt es in einem Papier zu dem Förderprogramm.
Büchele war es, der den Kontakt zu kubanischen Pflanzenforschern aufgenommen hat – vor allem aus persönlichem Interesse für das Land. Zunächst hat er sie selbst besucht und dort einen Vortrag gehalten. Sein Eindruck: Die Forscher sind fit in ihren Fachgebieten. Aber: „Deren Labore sind von der Ausstattung her elend“, sagt Büchele.
Generell suche Kuba, das sich wirtschaftlich immer mehr öffne, die Zusammenarbeit mit Deutschland. „Wir wären dumm, wenn wir die Hand ausschlagen“, sagt Büchele. Eine Branche, die profitieren könnte, ist die der Landmaschinen. In Kuba liefen immer noch die Traktoren der Marke „Fortschritt“aus der DDR.
Die jungen Kubanerinnen genießen auch die Zeit außerhalb des Labors. Sie seien überrascht, dass das Wetter in Ravensburg ähnlich warm sei wie in Kuba. Claudia Lunares Rivero mag die Blumen, die an Fenstern, Balkonen, in Vorgärten blühen. Das kenne sie aus ihrer Heimat nicht. Das Rutenfest hat die beiden begeistert. Beim Festzug haben sie viel über die Geschichte von Ravensburg gelernt, wie sie sagen. Bevor sie am 1. Dezember zurückfliegen, haben sie noch einen Wunsch, den Büchele ihnen zur Not mit einem Ausflug in die Berge erfüllen will: Sie möchten zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee sehen.