Im Westallgäu integriertes Ehepaar abgeschoben
Helfer sind fassungslos: Iranisches Ehepaar nach Spanien abgeschoben
WEILER-SIMMERBERG (ins) - Nach Ansicht von Markus Söder ist das mit den Abschiebungen „eigentlich ganz einfach“. Das sagte der bayerische Ministerpräsident kürzlich in Scheidegg: „Wer anerkannt ist, sich an die Gesetze hält und arbeitet, darf bleiben. Wer nicht anerkannt ist, sich nicht integriert und straffällig wird, wird abgeschoben.“Man könnte sich fast an das Grimmsche Märchen erinnert fühlen, in dem es heißt: „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.“Dass die Unterscheidung oft nicht so eindeutig ist, beweisen die aufwändigen und langen Asylverfahren. Und in Einzelfällen sind selbst bei klarer Gesetzeslage Entscheidungen oft schwer zu akzeptieren. Von einem solchen Fall erzählt Stefan Trenkle aus Weiler.
Trenkle, Mitglied des Marktgemeinderats, hat einem iranischen Ehepaar geholfen, sich in Deutschland zurechtzufinden. Davood Ghassemi und Tahereh Jamali, 57 und 56 Jahre alt, lebten einige Monate in Weiler. Dann holten Polizeibeamte sie in der Früh ab, sie wurden in ein Flugzeug nach Spanien gesetzt. Trenkle erhielt danach erschreckende Nachrichten von den Eheleuten: „Sie wurden in Madrid auf dem Flughafen quasi raugeworfen und sich selbst überlassen. Sie hatten kein Geld, kein Dach über dem Kopf, niemand kümmerte sich um sie.“Fünf Tage nach der Abschiebung schrieb Davood Ghassemi an Trenkle, er denke an Selbstmord. Das Ehepaar wurde zwar nicht in sein Heimatland abgeschoben, sondern nach Spanien zurückgebracht – dort sieht es aber für sich keine Lebensperspektive.
Als konvertierte Christen mit Folter und Tod bedroht
Aus dem Iran sind Davood Ghassemi und Tahereh Jamali vor einem Jahr geflohen, weil sie zum Christentum konvertiert waren. So hat es Ghassemi bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg geschildert. In ihrem Friseursalon habe seine Ehefrau über ihren neuen Glauben gesprochen – vermutlich habe sie jemand beim Geheimdienst angeschwärzt. Nach einer Festnahme, einem Verhör, der Androhung von Folter und Tod sei ihnen die Flucht als einziger Ausweg erschienen, erklärte Ghassemi bei der Befragung, deren neunseitiges Protokoll dem „Westallgäuer“vorliegt.
Stefan Trenkle
„Sie hätten sich hier eine Existenz aufbauen können“
Die Bamf-Mitarbeiterin, die ihn interviewte, wollte vieles ganz genau wissen: die Namen anderer Mitglieder der geheimen Hauskirche im Iran, Inhalte des christlichen Glaubens. Dass Ghassemi und seine Frau Deutschland verlassen mussten, hat indes nichts mit seinen Antworten oder seiner Fluchtgeschichte zu tun. Vielmehr waren sie auf ihrem Weg vom Iran über Italien und Spanien nach Deutschland von der Polizei aufgegriffen worden, und Davood Ghassemi wurde angehalten, einen Asylantrag zu stellen. Dass sich das Paar dennoch in Richtung Westen aufmachte, hat einen Grund: Die beiden Kinder leben in der Schweiz.
In den wenigen Monaten, die Ghassemi und Tahereh Jamali in Weiler wohnten, haben sie sich laut Stefan Trenkle alle Mühe gegeben, sich zu integrieren: Sie hätten sich im Westallgäu eine Existenz aufbauen können, sagt er. „Davood ist Heizungsbauer, und seine Frau hätte beim Frisör in Lindenberg eine Stelle bekommen.“Eine Bleibeperspektive hatte das Paar jedoch nicht, wegen des Asylantrags in Spanien und wegen des Dublin III-Abkommens, nach dem derjenige Staat das Asylverfahren durchführen muss, in welchem der Geflüchtete zum ersten Mal die EU-Grenzen betritt. Eigentlich wäre das in diesem Fall Italien.
Tahereh Jamali will es noch einmal in Deutschland versuchen. Sie hat in Spanien noch keinen Asylantrag gestellt, sich allein durchgeschlagen und lebt derzeit im Ankerzentrum Donauwörth, betreut von der Diakonie. Die Weilerer Freunde des Ehepaars halten Kontakt und haben auch Abgeordneten das Schicksal der Familie geschildert.
Die scheinbar eindeutige Logik von Ministerpräsident Söder und der Ehrgeiz von Bundesinnenminister Seehofer in Sachen Abschiebung und Rückführung kommen Stefan Trenkle zynisch vor. „Wenn man so jemanden betreut, baut man eine Beziehung auf und kennt die Leute. Davood und Jamali waren so gut integriert – aber nein, die Politik braucht Erfolge bei den Rückführungen. Und das auf Kosten von Menschen, die in Spanien keine Chance haben.“
Vor wenigen Tagen hat Stefan Trenkle von Davood Ghassemi, der inzwischen in einem Madrider Flüchtlingsheim lebt, eine Whatsapp-Nachricht erhalten. „Er hat mir gesagt, er denkt an mich – und dass es ihm so einigermaßen gut geht.“
„Sie hatten kein Geld, kein Dach über dem Kopf, niemand kümmerte sich um sie.“