Ausbildungsmarkt bietet viele Chancen
Richtig unversorgt ist fast keiner – Betriebe kämpfen mit Lehrlingsmangel.
LINDAU - Gut 60 Namen stehen noch auf der Liste von Alexandra Drechsel: Diese Jugendlichen haben sich noch nicht bei der Lindauer Berufsberaterin abgemeldet. Sie gelten auf dem Ausbildungsmarkt offiziell noch als „unversorgt“. Doch Drechsel weiß: „Richtig unversorgt ist so gut wie keiner.“Wer wirklich im kommenden Herbst eine Ausbildung beginnen wolle, dem stehen noch viele Möglichkeiten offen. Denn Stand Mitte August gibt es im Landkreis Lindau noch rund 150 unbesetzte Lehrstellen, wie ihr Kollege Manuel Zeiler sagt.
Arbeits- und Ausbildungsmarkt im Landkreis Lindau haben eines gemeinsam: „Da gibt es unheimlich viel Bewegung“, stellen Berufsberaterin Alexandra Drechsel und die Leiterin der Lindauer Arbeitsagentur, Susanne Müller-Koberstein, übereinstimmend fest. So geht Drechsel davon aus, dass von den erwähnten rund 60 Schulabgängern und jungen Erwachsenen nur eine gute Handvoll mit Blick auf die berufliche Zukunft wirklich perspektivlos ist.
„Die meisten haben schon längst einen Ausbildungsvertrag vor sich liegen,“weiß die Berufsberaterin aus Erfahrung. Wenn sich jene noch nicht bei ihr als „Suchende“abgemeldet haben, dann liege der Grund zum einen darin, dass sie noch schwanken zwischen Lehre und weiterem (Fach-)Schulbesuch. „Oder sie hoffen immer noch auf eine Zusage in ihrem Traumberuf.“Auch wenn Zeugnis oder persönliche Talente dem eigentlich nicht entsprächen.
472 junge Leute haben sich in den vergangenen Monaten an die Berufsberatung gewandt. Knapp 40 Prozent von ihnen streben eine Ausbildung im gewerblichen Bereich an, wollen später etwa in Produktion und Fertigung arbei- ten. 90 Jugendliche sehen ihre Zukunft im kaufmännischen Bereich. Allein dort aber hoffen die Firmenchefs auf mindestens 140 neue Auszubildende – viele Lehrstellen werden im Herbst leer bleiben.
Gut 540 freie Ausbildungsplätze haben die Firmen und Betriebe seit Jahresbeginn der Berufsberatung gemeldet. Schon an dieser Zahl lässt sich das Dilemma ablesen, denn die Zahl der Jugendlichen auf Lehrstellensuchen liegt deutlich niedriger. „Das beobachten wir schon seit Längerem, dass es auch im Kreis Lindau weniger Bewerber als Ausbildungsplätze gibt“, stellt Drechsel fest.
Betriebe immer häufiger zu Kompromissen bereit
Die Konsequenz: „Die Betriebe reduzieren ihre Erwartungen, um überhaupt Nachwuchs zu finden“, schildert Manuel Zeiler vom Arbeitgeberservice der Lindauer Arbeitsagentur. „Sie sind oft zu Kompromissen bereit.“Auch Agenturleiterin Müller- Koberstein weiß: „Die Situation für die Bewerber wird jedes Jahr besser.“Und die Agentur unterstütze Azubis, etwa mit ausbildungsbegleitenden Hilfen, damit diese das Pensum der Berufsschule schaffen.
Trotz solcher Hilfen und der guten Auswahl an Lehrstellen scheitern immer mehr Auszubildende: Nach Drechslers Erfahrungen bricht fast jeder vierte Jugendliche seine erste Ausbildung ab. Im Bereich Hotel und Gaststätten liege die Abbruchquote sogar bei fast 50 Prozent, bedauert die Berufsberaterin.
Vor diesem Hintergrund ist ihr Kollege Manuel Zeiler überzeugt, „dass die Betriebe umdenken müssen“, etwa die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen weiter verbessern müssten. Dann könnten sie auch bei insgesamt sinkenden Bewerberzahlen motivierten Nachwuchs finden.
„Die Betriebe reduzieren ihre Erwartungen, um überhaupt Nachwuchs zu finden.“Manuel Zeiler