Wo Prostitution künftig noch erlaubt ist
Im Herbst soll die Sperrbezirksverordnung für Ravensburg erlassen werden
RAVENSBURG - In fünf Gewerbeund Mischgebieten soll Prostitution in Ravensburg künftig erlaubt werden. Die restliche Stadt, inklusive der gesamten Altstadt, wird zum Sperrbezirk. Zumindest, wenn es nach den Vorstellungen der Stadtverwaltung geht.
In einer nichtöffentlichen Sitzung vor den Sommerferien hat der Gemeinderat ein Gutachten zum Thema in die Hand bekommen, das als Grundlage für die Sperrbezirksverordnung gilt, die dann offiziell vom Regierungspräsidium Tübingen erlassen wird. Die Kommunalpolitiker werden im Herbst öffentlich darüber beraten. Das Gutachten, das der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, untersucht, wo Prostitution aus verschiedenen Gründen untersagt werden soll: etwa in der Nähe von Schulen, Spielplätzen, Jugendeinrichtungen, Kindergärten, Kirchen, Friedhöfen und sozialen Einrichtungen.
Die übrig bleibenden Flächen liegen ausschließlich in reinen Gewerbegebieten oder Mischgebieten für Wohnen und Gewerbe. Konkret handelt es sich um Erlen, Karrer, Mariatal, Teile der Bleicherstraße und ein Areal an der Schubertstraße/Schwanenstraße. Von den bestehenden Ravensburger Bordellen liegt nur die „Agentur Claudia Sommer“im Gewerbegebiet Karrer in einer Toleranzzone, die Betriebe in der Rosmarinstraße („Agentur Ravensburg“) und der Klosterstraße („Seemiezen“ und „Klosterfrauen“) müssten laut Erstem Bürgermeister Simon Blümcke schließen.
Zwei bis drei Jahre
Allerdings nicht sofort. „Wir werden in Verhandlungen mit den Betreibern treten für eine gewisse Übergangszeit und gemeinsam nach Alternativen suchen“, erklärt sich Blümcke gesprächsbereit. Auch wirtschaftliche Härten würden dabei berücksichtigt. Dass die Erotikbetriebe einen dauerhaften Bestandschutz genießen würden, wie es die Betreiber meinen, sieht Blümcke nicht: „Wir sprechen hier vielleicht von zwei bis drei Jahren.“
Unabhängig von den Gesprächen gebe es jedoch die Möglichkeit, die Sperrbezirksverordnung gerichtlich überprüfen zu lassen, räumt Blümcke ein. Sprich: dagegen zu klagen. Das könnte durchaus Erfolg haben, vor allem, was den Bestandsschutz angeht. Denn auch die Gutachter schreiben über die bestehenden Bordelle: „Eine Gefährdung des Schutzes der Jugend und des Schutzes des öffentlichen Anstandes ist für keinen der Standorte aktuell festzustellen.“Und weiter auf Seite 13: „Bestehende Betriebe, die der Prostitution dienen, haben Bestandsschutz. Diese dürfen somit auch innerhalb einer Sperrgebietszone betrieben werden.“So einfach, wie sich das Blümcke vorstellt, könnte eine Verbannung der Prostitution aus der Altstadt also nicht werden.
Eine weitere spannende Frage ist, wie die Nachbarn (Privatleute und Unternehmen) in den künftigen Toleranzzonen reagieren werden. Blümcke glaubt, dass einige schon fragen werden: „Warum ausgerechnet hier, warum nicht woanders?“Ohne Verordnung hätte die Stadt – wie in der Vergangenheit – aber große Schwierigkeiten, die Ansiedlung von neuen Bordellen generell zu verhindern. Nur über Baurecht und Veränderungssperren ist das aufwendig und letztlich nicht unbedingt gerichtsfest. Versuche, weitere Erotikbetriebe aufzumachen, gab es in den vergangenen Jahren zum Beispiel in Schmalegg-Okatreute und an der Jahnstraße in der Südstadt. Hätten die Rotlichtunternehmer bis zum bitteren Ende geklagt, wären ihre Erfolgsaussichten gar nicht schlecht gewesen. Daher meint Blümcke: „Besser, man regelt es, als dass man es ungeregelt laufen lässt.“
Ihm persönlich wäre es eigentlich lieber, wenn Prostitution in Städten unter 100 000 Einwohnern ganz verboten würde. „Wir sind in Deutschland viel zu tolerant im Gegensatz zu Frankreich und Schweden.“Derzeit liegt die Grenze in baden-württembergischen Städten bei 35 000 Einwohnern. Durch ein zunehmendes Ausweichen des Gewerbes auf einschlägige Internetseiten sind jedoch Grauzonen entstanden. Im Netz bieten auch Frauen (und vereinzelt Männer) aus deutlich kleineren Gemeinden ihre sexuellen Dienste an.
„Das Problem ist, dass Prostitution zwar als sozial schädlich gilt, aber legal ist“, meint Ordnungsamtsleiter Lothar Kleb. „Die Sperrbezirksverordnung bringt uns Rechtssicherheit.“