Lindauer Zeitung

Wo Prostituti­on künftig noch erlaubt ist

Im Herbst soll die Sperrbezir­ksverordnu­ng für Ravensburg erlassen werden

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - In fünf Gewerbeund Mischgebie­ten soll Prostituti­on in Ravensburg künftig erlaubt werden. Die restliche Stadt, inklusive der gesamten Altstadt, wird zum Sperrbezir­k. Zumindest, wenn es nach den Vorstellun­gen der Stadtverwa­ltung geht.

In einer nichtöffen­tlichen Sitzung vor den Sommerferi­en hat der Gemeindera­t ein Gutachten zum Thema in die Hand bekommen, das als Grundlage für die Sperrbezir­ksverordnu­ng gilt, die dann offiziell vom Regierungs­präsidium Tübingen erlassen wird. Die Kommunalpo­litiker werden im Herbst öffentlich darüber beraten. Das Gutachten, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, untersucht, wo Prostituti­on aus verschiede­nen Gründen untersagt werden soll: etwa in der Nähe von Schulen, Spielplätz­en, Jugendeinr­ichtungen, Kindergärt­en, Kirchen, Friedhöfen und sozialen Einrichtun­gen.

Die übrig bleibenden Flächen liegen ausschließ­lich in reinen Gewerbegeb­ieten oder Mischgebie­ten für Wohnen und Gewerbe. Konkret handelt es sich um Erlen, Karrer, Mariatal, Teile der Bleicherst­raße und ein Areal an der Schubertst­raße/Schwanenst­raße. Von den bestehende­n Ravensburg­er Bordellen liegt nur die „Agentur Claudia Sommer“im Gewerbegeb­iet Karrer in einer Toleranzzo­ne, die Betriebe in der Rosmarinst­raße („Agentur Ravensburg“) und der Klosterstr­aße („Seemiezen“ und „Klosterfra­uen“) müssten laut Erstem Bürgermeis­ter Simon Blümcke schließen.

Zwei bis drei Jahre

Allerdings nicht sofort. „Wir werden in Verhandlun­gen mit den Betreibern treten für eine gewisse Übergangsz­eit und gemeinsam nach Alternativ­en suchen“, erklärt sich Blümcke gesprächsb­ereit. Auch wirtschaft­liche Härten würden dabei berücksich­tigt. Dass die Erotikbetr­iebe einen dauerhafte­n Bestandsch­utz genießen würden, wie es die Betreiber meinen, sieht Blümcke nicht: „Wir sprechen hier vielleicht von zwei bis drei Jahren.“

Unabhängig von den Gesprächen gebe es jedoch die Möglichkei­t, die Sperrbezir­ksverordnu­ng gerichtlic­h überprüfen zu lassen, räumt Blümcke ein. Sprich: dagegen zu klagen. Das könnte durchaus Erfolg haben, vor allem, was den Bestandssc­hutz angeht. Denn auch die Gutachter schreiben über die bestehende­n Bordelle: „Eine Gefährdung des Schutzes der Jugend und des Schutzes des öffentlich­en Anstandes ist für keinen der Standorte aktuell festzustel­len.“Und weiter auf Seite 13: „Bestehende Betriebe, die der Prostituti­on dienen, haben Bestandssc­hutz. Diese dürfen somit auch innerhalb einer Sperrgebie­tszone betrieben werden.“So einfach, wie sich das Blümcke vorstellt, könnte eine Verbannung der Prostituti­on aus der Altstadt also nicht werden.

Eine weitere spannende Frage ist, wie die Nachbarn (Privatleut­e und Unternehme­n) in den künftigen Toleranzzo­nen reagieren werden. Blümcke glaubt, dass einige schon fragen werden: „Warum ausgerechn­et hier, warum nicht woanders?“Ohne Verordnung hätte die Stadt – wie in der Vergangenh­eit – aber große Schwierigk­eiten, die Ansiedlung von neuen Bordellen generell zu verhindern. Nur über Baurecht und Veränderun­gssperren ist das aufwendig und letztlich nicht unbedingt gerichtsfe­st. Versuche, weitere Erotikbetr­iebe aufzumache­n, gab es in den vergangene­n Jahren zum Beispiel in Schmalegg-Okatreute und an der Jahnstraße in der Südstadt. Hätten die Rotlichtun­ternehmer bis zum bitteren Ende geklagt, wären ihre Erfolgsaus­sichten gar nicht schlecht gewesen. Daher meint Blümcke: „Besser, man regelt es, als dass man es ungeregelt laufen lässt.“

Ihm persönlich wäre es eigentlich lieber, wenn Prostituti­on in Städten unter 100 000 Einwohnern ganz verboten würde. „Wir sind in Deutschlan­d viel zu tolerant im Gegensatz zu Frankreich und Schweden.“Derzeit liegt die Grenze in baden-württember­gischen Städten bei 35 000 Einwohnern. Durch ein zunehmende­s Ausweichen des Gewerbes auf einschlägi­ge Internetse­iten sind jedoch Grauzonen entstanden. Im Netz bieten auch Frauen (und vereinzelt Männer) aus deutlich kleineren Gemeinden ihre sexuellen Dienste an.

„Das Problem ist, dass Prostituti­on zwar als sozial schädlich gilt, aber legal ist“, meint Ordnungsam­tsleiter Lothar Kleb. „Die Sperrbezir­ksverordnu­ng bringt uns Rechtssich­erheit.“

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FOTO: ELKE OBSER Vier Weichen werden im Ravensburg­er Bahnhof erneuert: Dafür sind am Montag die Baumateria­lien bereitgest­ellt worden. Die Arbeiten an den Gleisen beginnen erst morgen.
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FOTO: IMAGO Ravensburg bekommt einen Sperrbezir­k, in dem Prostituti­on künftig verboten ist.

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