Die Zucker-Zwickmühle
Hersteller versuchen, auf das Süßungsmittel zu verzichten
DÜSSELDORF/RAVENSBURG (dpa) - Zu viel Zucker ist ungesund – das sagen Ernährungsexperten schon länger. Immer mehr Lebensmittelproduzenten versuchen deshalb, den Zuckergehalt in ihren Produkten zu reduzieren.
Egal ob Butterkekse, Fruchtjoghurt oder Frühstücksmüsli: Der Zuckergehalt soll verringert werden. Zumindest ein bisschen. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von öffentlichem und politischem Druck bis hin zu sinkenden Absatzzahlen beim gezuckerten Fruchtjoghurt.
Das hat sicher auch für die Molkereigenossenschaft Arla den Ausschlag gegeben, um einen Fruchtjoghurt auf den Markt zu bringen, der ganz ohne zugesetzten Zucker und sonstige Zusatzstoffe auskommt. Die Zutatenliste ist kurz: Früchte und Joghurt.
Auch im Südwesten wollen Unternehmen den Zuckergehalt in ihren Produkten reduzieren.
DÜSSELDORF/RAVENSBURG - Himbeerjoghurt, Schoko-HaselnussPudding oder Milchreis – all diese Milchprodukte bieten die Milchwerke Schwaben in ihrem Sortiment unter der Marke Weideglück an. All diese Produkte eint, dass sie zwischen fünf und acht Prozent zugesetzten Zucker enthalten. Noch: Denn laut Geschäftsführer Jakob Ramm soll der Zuckergehalt in den nächsten Jahren nochmal um ein bis zwei Prozent gesenkt werden. Es sei nicht sinnvoll, den zugesetzten Zucker komplett wegzulassen, da Fruchtjoghurts und Co. dadurch viel zu sauer wären. Daran seien Verbraucher schlicht noch nicht gewöhnt. Um den Prozess langsam voranzubringen, wurde der Zuckergehalt in den vergangenen zwei Jahren bereits um ein Prozent reduziert, sagt Geschäftsführer Ramm.
Mit dieser Idee sind die Milchwerke Schwaben mit Hauptsitz in Ulm nicht alleine. Egal ob Butterkekse, Fruchtjoghurt oder Frühstücksmüsli: Bei immer mehr Produkten versuchen große Markenhersteller den Zuckergehalt zu reduzieren.
Auch die Molkereigenossenschaft Arla mit Sitz in Düsseldorf, die noch bis vor zwei Jahren eine Niederlassung in Kißlegg betrieben hat, hat einen Fruchtjoghurt auf den Markt gebracht, der ganz auf zugesetzten Zucker und sonstige Zusatzstoffe verzichtet. In Summe enthält er nach Unternehmensangaben nur noch halb soviel Zucker wie ein „normaler“Fruchtjoghurt. Die Zutatenliste auf zwei Produkte – Früchte und Joghurt – zu verringern, höre sich einfach an, sei es aber nicht, betont ArlaDeutschland-Chef Markus Mühleisen. „Denn Fruchtjoghurts ohne Zuckerzusatz schmecken schnell säuerlich, und es ist auch nicht leicht, ohne Zusatzstoffe eine angenehme Konsistenz und eine schöne Farbe zu erreichen.“
Absatz von Zuckerhaltigem sinkt
Der Schritt sei auch nicht ohne Risiko: „Der Geschmack ist lecker, aber er ist ein bisschen anders. Außerdem sind die Produkte etwas teurer“, sagt Mühleisen und hofft, dass die Verbraucher den Weg mitgehen. Dass der Molkereiriese dazu bereit ist, das Risiko einzugehen, hat mehrere Gründe. Einer davon ist: Der Absatz von gezuckerten Fruchtjoghurts ist nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Nielsen seit 2012 um rund 20 Prozent eingebrochen.
Backwarenhersteller Bahlsen hat inzwischen eine Leibniz-Keks-Variante mit 30 Prozent weniger Zucker im Angebot. Eines der größten deutschen Lebensmittelunternehmen, Dr. Oetker, umwirbt Gesundheitsbewusste mit weniger stark gesüßten Versionen seiner Müslimarke Vitalis. Selbst der Süßwarenhersteller Haribo brachte vor wenigen Monaten neue Fruchtgummis mit 30 Prozent weniger Zucker auf den Markt.
Die Markenhersteller stehen unter Druck – nicht nur wegen der öffentlichen Diskussion über die Schädlichkeit von Zucker. Auch die Politik übt zunehmend Druck aus. Bereits im Jahr 2015 hatte der Bundestag die Regierung aufgefordert, eine Reformulierungsstrategie vorzulegen, die die Reduktion von Zucker, aber auch Fett und Salz in Lebensmitteln zur Folge haben soll. An diesem Konzept hält das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auch weiter fest, das schreibt das Ministerium auf seiner Internetseite. Die Änderungen der Rezepturen sollen „gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft und dem Lebensmitteleinzelhandel auf freiwilliger Basis umgesetzt werden“.
Was sich die Politik seit rund drei Jahren offiziell auf die Fahne geschrieben hat, fordern die Verbraucherzentralen schon seit rund zehn Jahren, so Ernährungsexpertin Christiane Manthey von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Es sei an der Zeit, dass die Unternehmen „da endlich mal liefern und in diesem Prozess vorankommen“, teilt die Ernährungsexpertin auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung" mit. Damit einher gehe die Forderung, dass neben der verpflichtenden Nährwerttabelle auch ein Ampelsystem zur Kennzeichnung der Inhaltsstoffe auf Verpackungen eingeführt werde.
Doch nicht nur Politik und Verbraucherschutz bauen Druck auf Lebensmittelhersteller auf, auch die großen Handelsketten mit ihren Eigenmarken haben eine Vorreiterrolle beim Thema Zuckerreduktion übernommen. Allein der Handelsriese Rewe will in diesem Jahr bei rund 100 Eigenmarken-Produkten neue zuckerreduzierte Rezepturen einführen. Edeka hat schon vor drei Jahren damit begonnen, den Zuckergehalt in zahlreichen eigenen Produkten zu senken, meist um zehn, nicht selten sogar um mehr als 20 Prozent. Auch die Discounter Lidl und Aldi werkeln an ihren Rezepturen.
Doch gibt es ein Problem für alle Beteiligten: den Verbraucher. Wie eine aktuelle Studie der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) ergab, versuchen zwar fast 60 Prozent der Verbraucher bewusst, ihren Zuckerkonsum zu reduzieren. Doch nur jeder fünfte Konsument ist bereit, dabei Einbußen beim Geschmack hinzunehmen. Wer den Zuckergehalt seiner Produkte zu sehr reduziert, läuft also Gefahr, Kunden zu verlieren.
Mehr Kreativität beim Geschmack
Diese Gefahr entkräftet Ernährungsexpertin Christiane Manthey: Hersteller müssten sich beim Geschmack etwas einfallen lassen. „Sie können zum Beispiel den Fruchtanteil beim Joghurt erhöhen und bei Gebäck oder Keksen verschiedene Gewürze ausprobieren“, sagt Manthey. Den Zuckergehalt im Fruchtjoghurt und in Desserts künftig zu reduzieren, wie es die Milchwerke Schwaben schon tun und auch weiter tun wollen, halte sie ebenfalls für einen Schritt in die richtige Richtung.