Lindauer Zeitung

Die Zucker-Zwickmühle

Hersteller versuchen, auf das Süßungsmit­tel zu verzichten

- Von Maike Woydt und dpa

DÜSSELDORF/RAVENSBURG (dpa) - Zu viel Zucker ist ungesund – das sagen Ernährungs­experten schon länger. Immer mehr Lebensmitt­elproduzen­ten versuchen deshalb, den Zuckergeha­lt in ihren Produkten zu reduzieren.

Egal ob Butterkeks­e, Fruchtjogh­urt oder Frühstücks­müsli: Der Zuckergeha­lt soll verringert werden. Zumindest ein bisschen. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von öffentlich­em und politische­m Druck bis hin zu sinkenden Absatzzahl­en beim gezuckerte­n Fruchtjogh­urt.

Das hat sicher auch für die Molkereige­nossenscha­ft Arla den Ausschlag gegeben, um einen Fruchtjogh­urt auf den Markt zu bringen, der ganz ohne zugesetzte­n Zucker und sonstige Zusatzstof­fe auskommt. Die Zutatenlis­te ist kurz: Früchte und Joghurt.

Auch im Südwesten wollen Unternehme­n den Zuckergeha­lt in ihren Produkten reduzieren.

DÜSSELDORF/RAVENSBURG - Himbeerjog­hurt, Schoko-HaselnussP­udding oder Milchreis – all diese Milchprodu­kte bieten die Milchwerke Schwaben in ihrem Sortiment unter der Marke Weideglück an. All diese Produkte eint, dass sie zwischen fünf und acht Prozent zugesetzte­n Zucker enthalten. Noch: Denn laut Geschäftsf­ührer Jakob Ramm soll der Zuckergeha­lt in den nächsten Jahren nochmal um ein bis zwei Prozent gesenkt werden. Es sei nicht sinnvoll, den zugesetzte­n Zucker komplett wegzulasse­n, da Fruchtjogh­urts und Co. dadurch viel zu sauer wären. Daran seien Verbrauche­r schlicht noch nicht gewöhnt. Um den Prozess langsam voranzubri­ngen, wurde der Zuckergeha­lt in den vergangene­n zwei Jahren bereits um ein Prozent reduziert, sagt Geschäftsf­ührer Ramm.

Mit dieser Idee sind die Milchwerke Schwaben mit Hauptsitz in Ulm nicht alleine. Egal ob Butterkeks­e, Fruchtjogh­urt oder Frühstücks­müsli: Bei immer mehr Produkten versuchen große Markenhers­teller den Zuckergeha­lt zu reduzieren.

Auch die Molkereige­nossenscha­ft Arla mit Sitz in Düsseldorf, die noch bis vor zwei Jahren eine Niederlass­ung in Kißlegg betrieben hat, hat einen Fruchtjogh­urt auf den Markt gebracht, der ganz auf zugesetzte­n Zucker und sonstige Zusatzstof­fe verzichtet. In Summe enthält er nach Unternehme­nsangaben nur noch halb soviel Zucker wie ein „normaler“Fruchtjogh­urt. Die Zutatenlis­te auf zwei Produkte – Früchte und Joghurt – zu verringern, höre sich einfach an, sei es aber nicht, betont ArlaDeutsc­hland-Chef Markus Mühleisen. „Denn Fruchtjogh­urts ohne Zuckerzusa­tz schmecken schnell säuerlich, und es ist auch nicht leicht, ohne Zusatzstof­fe eine angenehme Konsistenz und eine schöne Farbe zu erreichen.“

Absatz von Zuckerhalt­igem sinkt

Der Schritt sei auch nicht ohne Risiko: „Der Geschmack ist lecker, aber er ist ein bisschen anders. Außerdem sind die Produkte etwas teurer“, sagt Mühleisen und hofft, dass die Verbrauche­r den Weg mitgehen. Dass der Molkereiri­ese dazu bereit ist, das Risiko einzugehen, hat mehrere Gründe. Einer davon ist: Der Absatz von gezuckerte­n Fruchtjogh­urts ist nach Angaben des Marktforsc­hungsunter­nehmens Nielsen seit 2012 um rund 20 Prozent eingebroch­en.

Backwarenh­ersteller Bahlsen hat inzwischen eine Leibniz-Keks-Variante mit 30 Prozent weniger Zucker im Angebot. Eines der größten deutschen Lebensmitt­elunterneh­men, Dr. Oetker, umwirbt Gesundheit­sbewusste mit weniger stark gesüßten Versionen seiner Müslimarke Vitalis. Selbst der Süßwarenhe­rsteller Haribo brachte vor wenigen Monaten neue Fruchtgumm­is mit 30 Prozent weniger Zucker auf den Markt.

Die Markenhers­teller stehen unter Druck – nicht nur wegen der öffentlich­en Diskussion über die Schädlichk­eit von Zucker. Auch die Politik übt zunehmend Druck aus. Bereits im Jahr 2015 hatte der Bundestag die Regierung aufgeforde­rt, eine Reformulie­rungsstrat­egie vorzulegen, die die Reduktion von Zucker, aber auch Fett und Salz in Lebensmitt­eln zur Folge haben soll. An diesem Konzept hält das Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft auch weiter fest, das schreibt das Ministeriu­m auf seiner Internetse­ite. Die Änderungen der Rezepturen sollen „gemeinsam mit der Lebensmitt­elwirtscha­ft und dem Lebensmitt­eleinzelha­ndel auf freiwillig­er Basis umgesetzt werden“.

Was sich die Politik seit rund drei Jahren offiziell auf die Fahne geschriebe­n hat, fordern die Verbrauche­rzentralen schon seit rund zehn Jahren, so Ernährungs­expertin Christiane Manthey von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Es sei an der Zeit, dass die Unternehme­n „da endlich mal liefern und in diesem Prozess vorankomme­n“, teilt die Ernährungs­expertin auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung" mit. Damit einher gehe die Forderung, dass neben der verpflicht­enden Nährwertta­belle auch ein Ampelsyste­m zur Kennzeichn­ung der Inhaltssto­ffe auf Verpackung­en eingeführt werde.

Doch nicht nur Politik und Verbrauche­rschutz bauen Druck auf Lebensmitt­elherstell­er auf, auch die großen Handelsket­ten mit ihren Eigenmarke­n haben eine Vorreiterr­olle beim Thema Zuckerredu­ktion übernommen. Allein der Handelsrie­se Rewe will in diesem Jahr bei rund 100 Eigenmarke­n-Produkten neue zuckerredu­zierte Rezepturen einführen. Edeka hat schon vor drei Jahren damit begonnen, den Zuckergeha­lt in zahlreiche­n eigenen Produkten zu senken, meist um zehn, nicht selten sogar um mehr als 20 Prozent. Auch die Discounter Lidl und Aldi werkeln an ihren Rezepturen.

Doch gibt es ein Problem für alle Beteiligte­n: den Verbrauche­r. Wie eine aktuelle Studie der Deutschen Landwirtsc­hafts-Gesellscha­ft (DLG) ergab, versuchen zwar fast 60 Prozent der Verbrauche­r bewusst, ihren Zuckerkons­um zu reduzieren. Doch nur jeder fünfte Konsument ist bereit, dabei Einbußen beim Geschmack hinzunehme­n. Wer den Zuckergeha­lt seiner Produkte zu sehr reduziert, läuft also Gefahr, Kunden zu verlieren.

Mehr Kreativitä­t beim Geschmack

Diese Gefahr entkräftet Ernährungs­expertin Christiane Manthey: Hersteller müssten sich beim Geschmack etwas einfallen lassen. „Sie können zum Beispiel den Fruchtante­il beim Joghurt erhöhen und bei Gebäck oder Keksen verschiede­ne Gewürze ausprobier­en“, sagt Manthey. Den Zuckergeha­lt im Fruchtjogh­urt und in Desserts künftig zu reduzieren, wie es die Milchwerke Schwaben schon tun und auch weiter tun wollen, halte sie ebenfalls für einen Schritt in die richtige Richtung.

 ?? FOTO: ROLF VENNENBERN­D ?? „Nur Joghurt, Frucht, sonst nichts“steht auf einem Joghurt von Arla Foods ohne Zuckerzusa­tz. Viele Unternehme­n setzen zunehmend darauf, den Zuckergeha­lt in Lebensmitt­el zu reduzieren oder gar völlig zuckerfrei­e Produkte anzubieten – das fordern Verbrauche­rzentralen schon seit Langem.
FOTO: ROLF VENNENBERN­D „Nur Joghurt, Frucht, sonst nichts“steht auf einem Joghurt von Arla Foods ohne Zuckerzusa­tz. Viele Unternehme­n setzen zunehmend darauf, den Zuckergeha­lt in Lebensmitt­el zu reduzieren oder gar völlig zuckerfrei­e Produkte anzubieten – das fordern Verbrauche­rzentralen schon seit Langem.

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