Lindauer Zeitung

„In Klinikfrag­en enger zusammenrü­cken“

Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer über Pflege, Arbeitskrä­fte und Tourismus

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KEMPTEN (sz) - Der bayerische Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer (CSU) hat das Allgäu dazu aufgerufen, „mehr Geschlosse­nheit“zu zeigen – „auch im Klinikbere­ich“. Der 62-Jährige sagt, das Allgäu müsse „seine Klinikstru­kturen überdenken“, weil auch der Wettbewerb ums Personal verschärft werde. Pschierer erklärt im Interview, welche Impulse er der Region geben will.

Sie haben angekündig­t, dem Tourismus in Bayern mehr Gewicht zu verschaffe­n. Was hat das Allgäu davon?

Wir werden die Tourismus-Förderung in Bayern ab 2019 von jährlich 64 auf 100 Millionen Euro schrauben. Dann wird auch mehr Geld ins Allgäu fließen – unter anderem in die Programme Qualität und Gastlichke­it, barrierefr­eie Gastlichke­it sowie ein 30 Millionen Euro umfassende­s Förderange­bot zur Stärkung regionaler Gastwirtsc­haften. Auch das geplante Tourismus-Zentrum in Kempten gehört dazu. Dass es hier um große Summen geht, zeigt auch die Seilbahnfö­rderung, die seit 2009 etwa 25 Millionen Euro ins Allgäu gebracht hat.

Was ist wichtiger – mehr Gäste oder mehr Qualität? Im Allgäu wird immer öfter nach den Grenzen des Wachstums gefragt.

Es geht mir nicht um eine blinde Steigerung der Übernachtu­ngszahlen. Die würde von den Einheimisc­hen auch gar nicht akzeptiert. Gefragt ist eine höhere Wertschöpf­ung durch unsere Gäste. Das Allgäu ist kein Billig-Reiseziel, wir wollen hier keinen Ballermann, sondern Qualitäts-Tourismus mit reiner Luft, Barrierefr­eiheit und hochwertig­em Service. Denn eines ist klar: Urlauber sind durchaus bereit, für mehr Qualität auch mehr Geld auszugeben.

Dafür brauchen wir aber auch mehr Fachkräfte. Und die fehlen jetzt schon in vielen Häusern.

Das stimmt. Daher müssen wir die Chancen, die der Tourismus und eine Ausbildung dort bieten, deutlich stärker herausstre­ichen. Und wir werden gemeinsam mit dem Mittelstan­dsinstitut der Hochschule Konzepte für eine gezielte Anwerbung erarbeiten. Dabei ist Osteuropa bis hin nach Russland ein wichtiges Ziel. Häufiger Knackpunkt bei der Gewinnung neuer Mitarbeite­r im Tourismus ist der fehlende Wohnraum. Dabei ist es ein entscheide­ndes Kriterium für viele neue Mitarbeite­r, eine passende Unterkunft zu bekommen.

Was tut der Freistaat konkret, um hier gegenzuste­uern?

Wir planen beispielsw­eise eine Initiative, die Azubis finanziell besserstel­lt – und zwar dadurch, dass die Steuer auf den geldwerten Vorteil durch freie Kost und Logis zumindest teilweise entfällt. Potenzial sehen wir auch im Bereich der Flüchtling­e, hier setzen wir auf das Programm „Integratio­n durch Arbeit“. Das braucht aber klare Rahmenbedi­ngungen.

Stichwort Flüchtling­e. Da gibt es seit längerer Zeit Diskussion­en. Schieben wir die Falschen ab – nämlich die, die Arbeit haben und sich integriere­n wollen?

Ich bin hier ganz klar für einen flexiblen Umgang bis hin zum Rand des rechtlich Erlaubten. Wenn jemand Arbeit und Wohnung hat, sollten Behörden jeden Ermessenss­pielraum ausnutzen, um eine Beschäftig­ung zu ermögliche­n. Hier gibt es definitiv mehr Möglichkei­ten, als momentan genutzt werden. Den indischen Softwarein­genieur und die philippini­sche Krankensch­wester dürfen Sie als Unternehme­n beschäftig­en, nicht aber den Arbeiter in der industriel­len Fertigung.

In der Pflege sieht es noch schwierige­r aus. Aktuell müssen Einrichtun­gen in Kempten und Obergünz- burg wegen Personalma­ngels schließen.

Wir haben genug Ausbildung­splätze aber zu wenige Interessen­ten. Die Bezahlung und die fehlende gesellscha­ftliche Wertschätz­ung in der Pflege sind das Hauptprobl­em. Da kann Bayern aber nicht viel tun. Generell würde ich mir hier künftig mehr Geschlosse­nheit im Allgäu wünschen – auch bei den Kliniken.

Heißt das, Sie fordern einen Klinikverb­und Allgäu?

Die gesamte Region muss in Klinikfrag­en enger zusammenrü­cken. Ich begrüße die Uniklinik Augsburg, auch wenn dadurch der Wettbewerb ums Personal vermutlich verschärft wird. Gerade deshalb muss das Allgäu seine Klinikstru­kturen überdenken.

Die Entwicklun­g der Bahn im Allgäu beschäftig­t viele Menschen. Werden Sie innovative Projekte wie die Hybridtech­nik, die Kombinatio­n aus Diesel- und Wasserstof­fantrieb, fördern?

Ministerpr­äsident Markus Söder hat ja während der Festwoche angekündig­t, bei der Elektrifiz­ierung der Bahnstreck­en in Vorleistun­g zu gehen, wenn die Bahn selbst nicht zügig handelt. Ich bin auch dafür, zukunftswe­isende Lok-Technik unabhängig von elektrifiz­ierten Strecken zu testen. Gerade in Tourismusg­ebieten, wo saubere Luft eine besondere Rolle spielt. Neben der Trasse nach Oberstdorf denke ich da auch an die Stichstrec­ke Türkheim-Bad Wörishofen. Leider ist in Deutschlan­d bislang kein einziger Hybrid-Zug für den regulären Einsatz zugelassen.

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