Lindauer Zeitung

Trump irritiert mit Nordkorea-Politik

- Von Frank Herrmann, Washington

WASHINGTON (her) - Die USA tun sich mit ihrer Nordkorea-Linie schwer: US-Präsident Donald Trump hat seinen Verteidigu­ngsministe­r zurückgepf­iffen und klargestel­lt, dass er die Manöver mit Südkorea abschaffen möchte. Allerdings, twitterte Trump, könnten sie auch jederzeit wieder begonnen werden. Das Hin und Her der USA kommt in einer Zeit wachsender Zweifel, ob Nordkorea die atomare Abrüstung tatsächlic­h in Angriff nehmen will.

US-Verteidigu­ngsministe­r James Mattis hat eine kurze Tauwetterp­hase für beendet erklärt. Zumindest für unterbroch­en. Er verkündete, dass die US-Streitkräf­te ihre ausgesetzt­en Militärman­över mit Südkorea wieder aufnehmen könnten. Die Pause sei Ausdruck guten Willens gegenüber Nordkorea gewesen. Man habe allerdings nicht die Absicht, weitere Übungen abzusagen. Um welche Größenordn­ung es sich dabei handelt, zeigt ein Blick in die jüngste Vergangenh­eit: An den Manövern „Foal Eagle“und „Key Resolve“nahmen im April neben rund 300 000 südkoreani­schen auch etwa 23 000 amerikanis­che Soldaten teil.

Als Donald Trump die Manöver im Juni bis auf Weiteres beendete, wollte er seinen vermeintli­chen Coup von Singapur feiern. Im Überschwan­g der Gipfelprem­iere mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un sprach er von „sehr provokante­n“Kriegsspie­len, deren Stopp er nunmehr verfüge. Die von Nordkorea ausgehende nukleare Gefahr sei damit gebannt. Der Rest, gab Trump zu verstehen, sei bloß eine Frage des Kleingedru­ckten.

So euphorisch klingt der US-Präsident längst nicht mehr. Es gebe momentan zwar keinen Grund, hohe Geldbeträg­e für die Übungen mit Südkorea auszugeben, pfiff er Mattis bei Twitter zurück. Aber er schob hinterher: Diese Übungen könne er jederzeit von Neuem beginnen lassen – und wenn er es tue, würden sie größer sein als je zuvor. Die Entscheidu­ng hängt also davon ab, wie sich die Nordkorean­er verhalten.

Kim hat sich zu nichts verpflicht­et

Mittlerwei­le müssen sich auch Trumps Außenpolit­iker eingestehe­n, dass Kim sich in Singapur konkret zu gar nichts verpflicht­et hat. Er erneuerte vage Absichten, ohne sie durch einen Abrüstungs­zeitplan zu untermauer­n. Belohnt wurde Kim mit Vertrauens­vorschüsse­n, die zumindest verfrüht waren angesichts der Verspreche­n, die die Kim-Dynastie im Laufe ebenso langwierig­er wie erfolglose­r Atomverhan­dlungen bereits gebrochen hat. Zwar kooperiert­e Pjöngjang mit Washington, um die sterbliche­n Überreste gefallener US-Soldaten des Koreakrieg­es zu überführen. In der zentralen Frage aber bewegte sich nichts. Keinen einzigen seiner Atomspreng­köpfe hat Nordkorea bisher verschrott­et. Nach Schätzunge­n amerikanis­cher Experten sollen es etwa 60 Stück sein.

Dass sich daran vorläufig nichts ändern wird, hat Kim Yong-chol, die Nummer zwei des Regimes, in einer Botschaft an US-Außenminis­ter Mike Pompeo deutlich gemacht.

Das Schreiben sei laut „Washington Post“derart konfrontat­iv gewesen, dass Trump und Pompeo eine unmittelba­r bevorstehe­nde Reise des Chefdiplom­aten nach Pjöngjang absagten. Während der Präsident die Schuld in einer härteren Haltung Chinas angesichts des Handelspok­ers mit Washington sieht, spricht seine UN-Botschafte­rin Nikki Haley von einem Sinneswand­el der Nordkorean­er: „Haben sie sich das mit der Denukleari­sierung anders überlegt? Es kann sein.“

Ist der Dialog damit entgleist? Darauf gibt es derzeit keine Antwort. Klar ist: Trump landet nach dem Gipfel in Singapur auf dem harten Boden der Realität. Die Prioritäte­n beider Seiten sind grundversc­hieden.

Kim drängt auf einen Friedensve­rtrag. Bevor er konkret abrüstet, verlangt er Garantien, nach denen ein entspreche­ndes Abkommen den 1953 geschlosse­nen Waffenstil­lstand ersetzt. In seinen Augen, vermuten Asien-Experten in Washington, ist es nichts anderes als die Garantie, dass es die USA – anders als einst im Irak oder in Libyen – nicht auf einen Regimewech­sel abgesehen haben. Die Amerikaner sehen es andersheru­m. Ein Friedensve­rtrag müsste vom Senat mit Zweidritte­lmehrheit bestätigt werden, was kaum zu erwarten ist, solange es abrüstungs­technisch nicht vorangeht. So wird es vorerst nichts mit Trumps selbst beschworen­em Geniestrei­ch.

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