Herausforderung: Jugendliche wandern um den Bodensee
Mit nur 150 Euro im Gepäck sind die Berliner auf die Hilfe fremder Menschen angewiesen – Für ein Schulprojekt gehen sie an ihre Grenzen
WASSERBURG (bbb) - Sechs Jugendliche aus Berlin stellen sich derzeit einer Herausforderung: Die 14- und 15-Jährigen wandern um den Bodensee herum. 16 Tage lang haben sie Zeit, um zu Fuß nach Konstanz zurückzukehren, dem Ausgangspunkt ihrer Reise. Am Mittwochabend, dem neunten Tag ihrer Wanderung, schlugen sie ihre Zelte in Wasserburg auf. Das Projekt ist ein Teil ihres Schulfachs „Herausforderung“.
In ihren Rucksäcken haben die Schüler nur das Nötigste – und 150 Euro pro Person. Das Geld muss aber auch für die Fahrkarten von Berlin an den Bodensee und wieder zurück reichen. Was das Essen und die Schlafplätze angeht, sind sie also auf die Hilfe von Fremden angewiesen. Mit den Schülern ist eine Begleiterin unterwegs, die die Gruppe aber nicht leitet. Sie würde nur reagieren, wenn sich die Jugendlichen in Gefahr bringen würden.
Moritz, Jola, Josefine, Bodil, Elias und Luis besuchen die Evangelische Schule Berlin Zentrum. Dort haben sie Fächer, die die meisten Schüler hier in der Region wahrscheinlich nicht kennen, zum Beispiel „Herausforderung“und „Verantwortung“. „Wir lernen natürlich auch die normalen Fächer wie Mathe, Deutsch und Englisch“, sagt die 15-jährige Josefine. Ein zusätzlicher Schwerpunkt aber sei noch das Soziale und Menschliche. „Im Fach ,Verantwortung’ übernehmen wir einmal in der Woche eineinhalb Stunden Verantwortung“, erläutert sie. Das könne in einem Altenheim sein oder in einer Kindertagesstätte.
In der achten, neunten und zehnten Klasse steht auch das Fach „Herausforderung“auf dem Stundenplan. Dabei suchen sich die Schüler zunächst selbstständig eine Gruppe, in der sie gemeinsam eine Idee entwickeln, was für sie eine persönliche Herausforderung wäre. Dann fangen sie an zu planen. „Wir haben ungefähr ein halbes Jahr Zeit, um die Herausforderung vorzubereiten“, sagt die 14 Jahre alte Jola. Der Höhepunkt des Projekts ist die Herausforderung selbst. Sie findet immer am Anfang des neuen Schuljahres und außerhalb Berlins statt.
Ihre Ziele setzen sich die Schüler selbst. Manche arbeiten drei Wochen lang auf einem Bauernhof mit, andere radeln oder paddeln. „Wir wollten wandern“, sagt Jola. „Es ist etwas Neues für uns und wir wollten es ausprobieren.“Wirklich gewandert ist noch keiner der sechsköpfigen Gruppe, schon gar nicht mehrere Tage am Stück. Auch täglich die zehn bis zwölf Kilogramm schweren Rucksäcke zu tragen, ist für die Schüler eine Herausforderung. Doch inzwischen gewöhnen sie sich an die Überwindung, die sie jeden Morgen brauchen, um trotz Rückenschmerzen oder Blasen an den Füßen weiterzugehen.
Gewöhnungsbedürftig ist es für sie auch, fremde Menschen um Hilfe zu bitten, nach Essen oder einem Schlafplatz zu fragen. Vor allem Josefine hatte anfangs Schwierigkeiten damit. „Viele Menschen haben es nötiger, kriegen es aber auch nicht“, sagt sie. „Es ist auch eine Herausforderung, es anzunehmen.“Die Schüler müssen auch damit umgehen können, wenn es mal nicht so klappt, wie sie es sich vorstellen. „Wir bekommen auch Abfuhren“, sagt Moritz. „Aber dann überlegen wir, wie wir beim nächsten Mal so fragen können, dass wir mehr Erfolg haben.“
Die Jugendlichen machen viele positive Erfahrungen. „Wir sind überrascht, dass viele Leute gerne etwas abgeben“, sagt Luis. Deshalb sei bald die Idee aufgekommen, den Rest des Geldes am Ende der Reise zu spenden, zum Beispiel an Obdachlose. „Wir sind im Moment ja auch obdachlos“, sagt die 14-jährige Bodil.
Jana Grote begleitet die Gruppe. Die 26 Jahre alte Lehramtsstudentin hat die Funktion einer Sicherheitsbeauftragten. Sie würde nur eingreifen, wenn sich die Jugendlichen in Gefahr bringen würden oder wenn sie ihre Herausforderung nicht mehr ernst nehmen. „Ich versuche, mich in organisatorische Sachen nicht einzumischen und ihnen neue Erfahrungen zu ermöglichen“, sagt sie. Wann die Jugendlichen aufstehen und loswandern, entscheiden sie selbst. Sie dürfen und sollen auch Fehler machen. „Einmal haben sie die Karte falsch herum gehalten“, sagt sie. Sie habe nichts gesagt, sondern sei ihnen so lange gefolgt, bis sie den Fehler selbst bemerkten. „Das Loslassen fällt mir gar nicht so leicht“, sagt sie.
Am Ende, wenn alle wieder in Berlin sind, werden die Jugendlichen ihre Herausforderung an der Schule präsentieren.