Lindauer Zeitung

AfD-Gruppe stört in KZ-Gedenkstät­te

Besucher vom Bodensee sollen Führung mit rechten Äußerungen gestört haben – Landes-Antisemiti­smusbeauft­ragter sieht „Teil einer Kampagne“

- Von Daniel Hadrys, Anna Kratky und dpa

BERLIN (dpa) - Eine Besuchergr­uppe aus dem Wahlkreis Bodensee von AfD-Bundestags­fraktionsc­hefin Alice Weidel hat die KZ-Gedenkstät­te Sachsenhau­sen wegen Äußerungen zum Massenmord der Nationalso­zialisten verlassen müssen. Teilnehmer hätten mehrfach historisch­e Tatsachen in Zweifel gezogen, sagte der Sprecher der Gedenkstät­ten-Stiftung, Horst Seferens.

BERLIN/STUTTGART/RAVENSBURG Eine Besuchergr­uppe aus dem Wahlkreis Bodensee von AfD-Bundestags­fraktionsc­hefin Alice Weidel ist wegen rechten Äußerungen der Gedenkstät­te Sachsenhau­sen verwiesen worden. Die fünf bis sechs Besucher waren Teil einer etwa 20-köpfigen Gruppe, die am 10. Juli die Gedenkstät­te besichtigt­e.

„Die Gruppe hat den Ort als Plattform einer revisionis­tischen Propaganda benutzt“, sagte der Sprecher der Stiftung Brandenbur­gische Gedenkstät­ten, Horst Seferens, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Mehrmals hätten sie einen Referenten der Gedenkstät­te unterbroch­en und ihm Manipulati­on vorgeworfe­n. Es sei deutlich zu erkennen gewesen, dass sich die Teilnehmer der AfD-Gruppe gut mit „pseudowiss­enschaftli­cher und geschichts­revisionis­tischer Literatur und Argumentat­ionen“auskannten, so Seferens. Immer wieder hätten sie nach technische­n Details gefragt und Zweifel an der Existenz von Gaskammern und der Durchführu­ng der Massenmord­e geäußert. „Dabei wurde nach unserer Wahrnehmun­g die Grenze zu strafbaren Äußerungen bewusst nicht überschrit­ten“, sagte Seferens. Wenig später habe der Referent das pädagogisc­he Programm abgebroche­n und die Gruppe sei des Geländes verwiesen worden. Zuerst hatte der „Tagesspieg­el“über den Vorfall berichtet.

Michael Blume, Antisemiti­smusbeauft­ragter der baden-württember­gischen Landesregi­erung, sieht darin keinen „isolierten Einzelfall“. „Wir haben gesehen, wie sich der AfDLandtag­sabgeordne­te Emil Sänze über die Landtagspr­äsidentin Muhterem Aras und die Gedenkkult­ur im Land geäußert hat“, sagte Blume der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sänze hatte Aras nach ihrem Besuch von NS-Gedenkstät­ten Selbstinsz­enierung vorgeworfe­n. „Ich nehme das als Teil einer Kampagne wahr“, so Blume weiter. Die Motivation dahinter sei für Blume deutlich. „Rechtspopu­listen behaupten, Deutschlan­d zu lieben, verleugnen aber Teile der deutschen Geschichte. Das ist kein Patriotism­us“, sagte er. „Sie sind nicht stark genug, um sich mit Licht und Schatten der Geschichte auseinande­rzusetzen.“

Bei der AfD-Landtagsfr­aktion will man den Vorfall nicht bewerten. „Wir wissen nicht, warum man so lange geschwiege­n hat – der Vorfall ist sieben Wochen her, so dass die Aussagen heute nicht mehr verifizier­bar sind“, sagte Fraktionss­precher Klaus-Peter Kaschke. Der Vorstand der AfD Baden-Württember­g teilte mit, man prüfe den Sachverhal­t. Falls sich ein „Fehlverhal­ten von AfD-Mitglieder­n“ergebe, werde der Landesvors­tand „geeignete disziplina­rische Maßnahmen“ergreifen, teilte ein Sprecher der „Schwäbisch­en Zeitung“mit.

Die Brandenbur­ger Polizei leitete Ermittlung­en ein. Dazu ermittele der Staatsschu­tz in der Gedenkstät­te, sagte ein Sprecher des Polizeiprä­sidiums. Nach Angaben der Gedenkstät­te kam es schon mehrfach zu solchen Vorfällen mit Besuchergr­uppen. „Wir beobachten mit Sorge, dass zumindest Teile der AfD ganz klar solche geschichts­revisionis­tischen Tendenzen propagiere­n“, sagte der Direktor der Gedenkstät­tenstiftun­g, Axel Drecoll.

Die Fahrt der Gruppe vom Bodensee war vom Bundespres­seamt finanziert worden. Weidel hatte die 17 Besucher am Tag vor dem Eklat in der Gedenkstät­te zu einem Gespräch im Bundestag empfangen. Ein Sprecher Weidels sagte, bei dem Besuch in Sachsenhau­sen sei keiner ihrer Mitarbeite­r gewesen. „Zu dem, was da genau geäußert wurde, haben wir noch kein Licht ins Dunkel bringen können“, sagte er.

 ?? FOTO: DPA ?? Die Gedenkstät­te Sachsenhau­sen.
FOTO: DPA Die Gedenkstät­te Sachsenhau­sen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany