Erste Schritte in ein selbstständiges Leben
Tabea Schoch macht Fortschritte nach Reha in Privatklinik - 50 Meter mit dem Rollator
LINDAU - Tabea Schoch ist zurück. Acht Wochen Reha in einer Pforzheimer Privatklinik liegen hinter der verunglückten Lindauer Trampolinspringerin. Diese intensive medizinische Betreuung haben ihr viele Spender und Sponsoren ermöglicht (die Lindauer Zeitung berichtete). Tabea hat die Chance genutzt und große Fortschritte gemacht. Jetzt wohnt die 20-Jährige in ihrem kleinen Appartement in Reutin und stemmt ihren Alltag so gut es geht allein. Nach fast einem Jahr in Kliniken ist das die erste Bewährungsprobe für ein möglichst eigenständiges Leben.
Tabea sitzt im Rollstuhl, als sie die Tür öffnet. In der Ecke ihres Appartements steht ihr Rollator, der ihr ein Stück Selbstständigkeit ermöglichen soll. Dafür hat sie in Pforzheim hart gearbeitet. „Es war intensiv und anstrengend“, sagt die 20-Jährige. Aber es hat sich gelohnt. „Ich wollte ein paar Schritte laufen“, erinnert sie sich an ihr Ziel vor der Reha. Jetzt kann sie, wenn auch „sehr langsam“, bis zu 50 Meter mit dem Rollator gehen. Die größte Erleichterung ist aber, dass sie nun ohne Rutschbrett ins Auto einsteigen kann. Vorher dauerte es fast eine halbe Stunde, bis Tabea über die Vorrichtung ins Auto gehievt wurde. Jetzt, wo sie kurz stehen kann, klappt das in fünf Minuten.
Keine falschen Versprechungen
Seit ihrem Trampolin-Trainingsunfall am 5. Juli des vergangenen Jahres sitzt Tabea Schoch im Rollstuhl – Diagnose Querschnittslähmung. So groß der Schock für Tabea und ihre Familie war: Die Hoffnung, dass durch intensives Training noch Verbesserungen möglich sind, treibt die junge Frau seitdem an. Das war der Grund, warum sie nach Klinikaufenthalten in Murnau und in Bad Wildberg unbedingt in die Pforzheimer Privatklinik wollte. Tabeas Zuversicht und Kampfgeist überzeugten Familie, Freunde und viele Spender, die sich einig waren: Am Geld sollte es nicht scheitern. Dabei sind die Ärzte laut Tabea sehr vorsichtig mit Prognosen. „Ich kann es verstehen“, sagt sie. Rein rational wisse sie natürlich, dass die Ärzte keine falschen Versprechungen machen wollten. „Aber ich würde es doch gern hören“, räumt sie sein, etwas, das ihr Mut macht. Deshalb hat ihr auch das Benefizkonzert Anfang Juni mit den Paddocks in der Lindauer Eissportarena so gut getan. An diesem Abend hat sie die Euphorie und Hoffnung von Menschen, die an sie glauben, einfach nur genossen. Auch wenn das keine medizinischen Experten waren. In den Kliniken höre man oft nur Negatives, wenn man von seinen Hoffnungen rede, werde man als „Spinner“dargestellt, bedauert Tabea. Auch wenn die Leute im Lindauer Eisstadion das vielleicht etwas „zu easy“gesehen hätten: „Es war auch ein Ansporn.“
Tabea hat Anspruch auf Pflege. Das will sie aber nicht. „Ich bin jung, und ich will Selbstständigkeit“, sagt sie. „Das Meiste geht allein“, auch die Hausarbeit. Mit Rollstuhl staubzusaugen oder zu wischen, sehe nicht nur „echt lustig aus“, sondern sei ganz nebenbei auch ein gutes Training. Sie probiere lieber selber etwas fünfmal, bevor sie um Hilfe bitte. Und den Rest an Unterstützung erhält sie von ihrer Familie. Ihre Mutter kommt jeden Tag, fährt sie drei mal die Woche zur Physiotherapie und Ergotherapie. Und übt mit ihr am Rollator zu laufen. Allein traut sich Tabea das noch nicht zu. „Ich habe Angst vorm Fallen“, sagt sie. Seit ihrem Unfall habe sie immer die Sorge, dass sie sich was breche.
„Es gibt schlechtere und bessere Tage“, räumt Tabea ein. Aber im großen Ganzen sei sie zufrieden. Zimperlich ist die junge Frau nicht. Ihre dauernden Kopfschmerzen und häufigen Blasenentzündungen erwähnt sie nur nebenbei. In Kliniken hat sie viele Menschen kennengelernt, denen es schlechter geht. „Bis auf den Querschnitt habe ich nicht wirklich was“, sagt sie. Seit dem Unfall sei bei ihr „alles glatt gelaufen“. Was sie nervt, sei der Papierkrieg und das ewige Nachhaken bei Ämtern und Behörden. „Man muss um alles kämpfen“, sagt Tabea. Die Versicherung habe immer noch nicht gezahlt, auch sei noch nicht geklärt, ob sie eine Pflegestufe bekommt. „Ohne meine Familie wäre ich überfordert.“Auf so was werde man ja in der Schule ja nicht vorbereitet.
„Trampolin ist ein Riesenteil von meinem Leben“, sagt Tabea. Auch heute noch. Für sie war die Rückkehr in die Weingartener Turnhalle, wo der Unfall passierte, wichtig: „Man kann sonst damit nicht abschließen.“Ihre Vereinskollegen haben sie sogar schon wieder auf ein Minitrampolin gestellt, erzählt sie lachend.
Jetzt plant Tabea den nächsten Schritt in die Selbstständigkeit: Sie will ab September das Abendgymnasium in Ravensburg besuchen, um ihr Abi nachzumachen. Die Zeit will sie auch nutzen, um gesundheitlich noch stabiler zu werden. Und was dann? „Ich habe gelernt, dass man nicht so weit im Voraus planen sollte.“Fest steht: Im Herbst würde sie gern noch einmal in die Klinik nach Pforzheim gehen. Voraussetzung sei, dass sie einen Platz bekommt. Denn um die Finanzierung muss sich die Lindauerin diesmal dank der Spenden keine Sorgen machen.
Laufen wie eine „Omi mit Hüftschaden“
Um selbstständig unterwegs zu sein, braucht sie jetzt aber erst einmal ein Auto. Den Führerschein hat sie schon, vor ihrem Unfall war sie bereits viel mit dem Auto unterwegs. „Das Autofahren vermisse ich.“Doch ein umgebautes Auto, das sie nur mit den Händen steuern kann, habe seinen Preis.
„Hoffentlich enttäusche ich sie nicht“, sagt Tabea Schoch im Hinblick auf die vielen Menschen, die ihr geholfen haben. Dabei wisse sie genau, dass die sich über jede kleine Verbesserung freuen. Wenn es nach Tabea geht, sollen noch mehr dazukommen: „Ich will wieder ein relativ normales Gangbild, wie eine Omi mit Hüftschaden.“Ganz egal, was die Ärzte denken.
„Bis auf den Querschnitt habe ich nicht wirklich was.“Tabea Schoch „Ich habe gelernt, dass man nicht so weit im Voraus planen sollte.“Tabea Schoch